Mode ist mehr als nur Kleidung – sie zeigt, wer wir sind. Doch nicht alle Menschen finden Outfits, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Genau das will Claire Common ändern. Das Ziel der 29-Jährigen: Klamotten, die für alle funktionieren - unabhängig von körperlichen Einschränkungen. Dabei geht es nicht nur um spezielle Mode für Menschen mit Behinderung, sondern um Designs, die jedem Komfort und Stil bieten.
Claire hat selbst keine Behinderung. Doch als sie einen Artikel über Personen ohne Beine las, wurde ihr klar, wie wenig sie sich bisher mit Inklusion beschäftigt hatte. Das wollte sie unbedingt ändern und seit Ende 2021 beschäftigt sie sich intensiv mit Inklusion und was inklusive Mode bedeutet.
Heute entwirft sie Kleidung, die schön aussieht und praktisch ist – und sie macht das nicht allein. Sie spricht mit Betroffenen, sammelt Ideen und testet ihre Entwürfe mit ihnen. So stellt sie sicher, dass ihre Mode wirklich praktisch ist.
Ein Beispiel: Röcke für Rollstuhlfahrer:innen, hier dürfen Schnüre nicht herunterhängen, damit sie sich nicht in den Rädern verfangen. Auch die Passform ist wichtig. Wer immer sitzt, bei dem bauschen sich handelsübliche Oberteile oft am Bauch auf. Das bedeutet: Claire kürzt die Oberteile vorne, während sie sie hinten lang lässt, damit es am Rücken schön warm bleibt.
Warum gibt es nicht mehr Mode für alle?
Menschen mit Behinderung werden oft nicht mitgedacht – weder in der Modebranche noch in der Gesellschaft. Manche Behinderungen sind unsichtbar, andere werden in Werbung und Filmen kaum dargestellt. Dabei ist Teilhabe ein Menschenrecht, das in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben ist.
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Große Modeketten wie Tommy Hilfiger oder auch Zalando haben inzwischen auch inklusive Mode in ihrem Angebot. Zuletzt habe Primark eine spezielle Kollektion rausgebracht, erzählt Claire. Aber die große Frage sei: Bleibt das so? Oder ist das nur eine Phase, um beim Diversity-Trend aufzuspringen?
"Das Thema Inklusion wird oft als Marketing-Tool genutzt, dabei geht es nur um die Außenwirkung", kritisiert Claire. Ein Beispiel: Ein Modelabel nutzt ein Model mit Behinderung und schon sei alles "inklusiv".
Denn: Menschen mit körperlichen Diversitätsmerkmalen lassen sich optisch einfach besser "darstellen", allerdings schließt das unsichtbare Behinderungen, wie motorische oder sensorische Schwierigkeiten aus. "Unsichtbare Behinderungen werden von großen Modeketten nur selten integriert", sagt Claire.
Inklusion sei kein punktuelles Engagement, sondern das ganze Leben, betont Claire. "Inklusion betrifft so viele Themen: Arbeitsmarkt, Bildung, Medizin, Aufklärung. Das Thema ist einfach riesig."
Adaptive vs. inklusive Mode
In der Modebranche gehe es oft nur um das Aussehen: Ist die Marke angesagt? Ist der Schnitt modern? Bei inklusiver Mode steht die Funktion im Vordergrund, das steht sie allerdings auch bei adaptiver Mode.
Der wichtigste Unterschied:
- Adaptive Mode ist speziell für Menschen mit Behinderung gemacht, z. B. mit Magnetknöpfen oder dehnbarem Stoff.
- Inklusive Mode kann von allen getragen werden, hat aber besondere Details, die den Alltag mit einer Behinderung erleichtern können.
Mode für besondere Bedürfnisse
Auch Menschen mit Autismus oder ADHS haben besondere Bedürfnisse. Claire entwirft zum Beispiel Hoodies mit großen Kapuzen, um sich besser abschotten zu können, oder spezielle Taschen für Stimming-Tools. Das sind kleine Hilfsmittel, die besonders Autist:innenen helfen, sich selbst zu regulieren.
"Ich hatte eine Praktikantin, die ihr Stimming-Tool verloren hat. Das hat sie sehr gestresst. Dadurch kam ich auf die Idee, eine kleine Tasche auf ein Shirt zu nähen", erklärt Claire. "Und das hat ihr extrem geholfen! Sie hat das Tool viel weniger genutzt, einfach nur, weil sie wusste, sie hat es in der Tasche, ganz nah bei sich."
Weiche Stoffe, die die Haut nicht reizen, sind nicht nur für diese Menschen wichtig. Auch Mode für blinde Menschen ist ein Thema: Braille-Schrift auf Kleidung – in Neon auf Schwarz, damit sie auch für Sehbehinderte lesbar ist und erhaben, damit auch blinde Menschen sie ertasten können.
Produktion mit sozialem Impact
Nicht nur die Kleidung, auch die Herstellung soll inklusiv sein. 80 Prozent der Produkte von Claire werden in einem Inklusionsbetrieb gefertigt – von Menschen mit und ohne Behinderung. Außerdem hält sie Vorträge und bietet Workshops für Unternehmen an, um das Thema Inklusion mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Denn Mode kann mehr als gut aussehen – sie kann helfen, Barrieren abzubauen.
Wie inklusiv kann Mode sein?
Claire weiß aber auch: Ein einziges Kleidungsstück kann nicht für alle perfekt sein. Unterschiedliche Menschen brauchen unterschiedliche Lösungen. Deshalb hat sie verschiedene Kollektionen entwickelt. Komplett barrierefreie Mode sei schwierig.
Für die Modeindustrie wünscht sie sich, dass das Thema Inklusion ernst genommen wird, dass die Firmen dran bleiben und nicht aufgeben, auch wenn sie wenig Know-how haben. "Es hilft, sich Menschen ins Boot zu holen, die für das Thema brennen, die Experten sind, und dann kann eigentlich nichts schiefgehen", sagt Claire.
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