Bischof Kramer: "Nazikeule" führt bei der AfD zu nichts

Bischof Kramer spricht sich für Diskussion mit AfD-Anhängern aus
dpa/Bodo Schackow
Bischof Kramer bekräftigt, dass so viele Menschen die Partei AfD wählten, liege nicht daran, "dass auf einmal alle Nazis geworden sind". Das habe mit realen Problemen und Ängsten zu tun.
Kontroverse über rechte Partei
Bischof Kramer: "Nazikeule" führt bei der AfD zu nichts
Der mitteldeutsche Bischof Friedrich Kramer will stärker mit AfD-Wählern ins Gespräch kommen und hält Faschismus- und Nazi-Vergleiche in der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Partei für problematisch. "Die Wählerinnen und Wähler sind dagegen sowieso imprägniert", sagte Kramer dem evangelischen Monatsmagazin "chrismon" (Mai-Ausgabe).

Wenn Kramer als Bischof sage, dass der thüringische Landesverfassungsschutz offiziell festgestellt habe, dass die AfD gesichert rechtsextrem ist, entgegneten die Menschen: "Der Verfassungsschutz ist eine weisungsgebundene Behörde wie die Stasi früher und muss sagen, was die Regierungsparteien wollen." Damit sei sein sachliches Argument abgeräumt, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.

Kramer konstatierte: "Die große 'Nazikeule' führt zu nichts und wird von der AfD eher zu ihren Gunsten genutzt." Dass so viele Menschen die Partei wählen, liege nicht daran, "dass auf einmal alle Nazis geworden sind". Das habe mit realen Problemen und Ängsten zu tun, zum Beispiel mit dem Ukraine-Krieg und mit der Aufrüstung, sagte der Theologe, der auch Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.

"Die AfD redet über unsere von Krisen durchzogene Gegenwart auf eine Art, die vielen Menschen mehr einleuchtet als die der anderen Parteien. Das muss man sehr ernst nehmen", sagte Kramer. Zugleich wisse er: "Der Populismus ist im Vorteil, weil er die Dinge vereinfacht, skandalisiert, und die Medien berichten es, weil es gelesen wird."

Aus Sicht des Bischofs gibt es einen harten Kern von AfD-Anhängern, der die Partei wählt, weil sie "in Teilen rechtsextrem ist". "Vielleicht sind das niedrige zweistellige Prozente, aber sicher nicht die fast 40 Prozent, die sie nun gewählt haben", sagte Kramer. Um die außerhalb des harten Kerns gehe es ihm bei der Suche nach Gesprächen besonders: "Obwohl ich niemanden verloren geben will. Ich rede auch mit jemandem, der ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild hat."

Chemikonzern-Chef warnt vor AfD 

Unterdessen warnt der Chef des Essener Chemiekonzerns Evonik, Christian Kullmann, vor der AfD und will sich weiter gegen die Partei einsetzen. "Die AfD will die Demokratie aushöhlen, ihre anti-europäische Politik ist eine Bedrohung für die Wirtschaft", sagte der Vorstandsvorsitzende der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Samstag). Die in Teilen gesichert rechtsextreme Partei mache den Staat verächtlich. "Mit dem braunen Mob darf man keine Politik machen", betonte Kullmann.

CDU-Politiker Jens Spahn hatte sich kürzlich dafür ausgesprochen, bei den Abläufen und Verfahren im Bundestag mit der AfD wie mit jeder anderen Oppositionspartei umzugehen. Dafür bekam er Zuspruch und Kritik aus der eigenen Partei. Auch Vertreter anderer Parteien äußerten sich kritisch zu dem Vorschlag.

"Spahns Vorstoß ist ein Fehler", sagte der Evonik-Chef. Die AfD wolle die Demokratie zerstören. "Statt sie zu normalisieren, sollte die Union ihr mit guter Politik das Wasser abgraben", unterstrich Kullmann. Die AfD habe sich mittlerweile in der deutschen Parteienlandschaft etabliert. Dazu habe auch der Dauerstreit der Ampel einen Beitrag geleistet. "Die Hälfte der AfD-Wähler sind allerdings Angst-Wähler, sie lassen sich zurückholen, wenn die neue Regierung gut regiert", betonte der Evonik-Vorstandsvorsitzende.

Der Theologe und SPD-Politiker Richard Schröder plädierte unterdessen in der "Welt am Sonntag" dafür, der AfD im Bundestag Ausschussvorsitze zu geben. In einem Gastbeitrag für die Zeitung schrieb der ehemalige SPD-Fraktionschef in der letzten DDR-Volkskammer: "Die AfD ist nicht verboten. Deshalb müssen ihre Abgeordneten formal wie alle anderen behandelt werden." Der AfD Ausschussvorsitze vorzuenthalten, würde ihr "den Trumpf in die Hand geben, sich als Opfer, als unterdrückt und benachteiligt in Szene zu setzen".

Schröder verwies auf die Aufgaben der Ausschussvorsitzenden: Sie leiteten die Sitzungen und seien für die Vor- und Nacharbeit zuständig, hätten aber "keine Richtlinienkompetenz". Der am 26. Dezember 1943 im sächsischen Frohburg geborene Schröder gilt als Analytiker und Mahner, der sich immer wieder kritisch zu Wort meldet.