Klöckners Kirchen-Kritik erhitzt weiter Gemüter

 CDU-Politikerin Julia Klöckner
Kay Nietfeld/dpa
Julia Klöckner stößt mit ihren Aussagen zur Bedeutung von kirchlicher Einmischung auf Gegenwind.
Gegenstimmen
Klöckners Kirchen-Kritik erhitzt weiter Gemüter
Wie politisch darf sich Kirche äußern? Bundestagspräsidentin Klöckner hat die Debatte neu entfacht. Ihr CDU-Parteifreund Rachel, Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), springt ihr bei und warnt wie Klöckner vor Beliebigkeit.

In der Debatte um politische Stellungnahmen der Kirchen springt der kirchenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Thomas Rachel, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (beide CDU) bei. Wenn die Kirchen "nur als eine weitere Stimme mit spezifischen Empfehlungen in der Tagespolitik wahrgenommen werden", verlören sie ihre Authentizität und damit ihre einzigartige Wirkkraft, sagte Rachel. Er gehört dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an.

Der Bundestagsabgeordnete sagte dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Mittwoch) aber auch: "Dort, wo die politische Dimension von Kirche unmittelbarer Ausfluss der Evangeliums-Verkündigung ist, wirkt sie befruchtend, inspirierend und ist wirksam." Sie erreiche Menschen weit über die Mitgliedschaft hinaus. "Weil die Botschaft genuin ist. Nur die Kirchen können sie sagen", fügte er hinzu.

Die Katholikin Klöckner hatte sich zu Ostern in der "Bild am Sonntag" von den Kirchen mehr Sinnstiftung und weniger Stellungnahmen zu tagesaktuellen Themen im Stile einer Nichtregierungsorganisation gewünscht. Kirche werde austauschbar, wenn sie zu beliebig werde und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick habe.

Der theologische Vizepräsident der EKD, Stephan Schaede, widersprach Klöckner. Politik umfasse dem Wortsinn nach alles, was die Polis, das Gemeinwesen, betreffe. "Wir als Kirche sind ein Teil davon und helfen bei dem biblischen Auftrag mit, der Stadt Bestes zu suchen", sagte Schaede der "Bild"-Zeitung (Mittwoch). Die beiden kirchlichen Hilfswerke Misereor und "Brot für die Welt" gehörten zu den stärksten Playern humanitärer Hilfe. "Wir nehmen uns nicht nur das Recht, wir spüren auch die Verpflichtung, uns zu Missständen zu äußern, die gute Politik beheben könnte", sagte Schaede.

Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, warf Klöckner vor, den Kirchen zu drohen, wenn sie diese mit Nichtregierungsorganisationen vergleiche. "Denn damit wird die Erwartung verbunden, dass sie sich nicht unbequem für CDU und CSU verhalten", sagte er dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Mittwoch). "Das ist ein unsäglicher Vorgang. Ich bin irritiert, dass eine Bundestagpräsidentin sich so äußert", sagte Notz.

Der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Ernst-Wilhelm Gohl, widersprach der Kritik aus Reihen der CDU, die Kirchen agierten zu politisch. Es sei zwar nicht Aufgabe der Kirche, Tagespolitik zu betreiben, sagte Gohl dem Nachrichtenportal t-online. "Aber als Christ sollte man politisch Stellung beziehen. Das Evangelium ist eine Sendung in die Welt - und in der Welt geht es politisch zu."

Er halte Kritik wie die von Klöckner für verkürzt, so Gohl, "aber ich nehme sie ernst". Auf die "großen, ethischen Fragen unserer Zeit" müssten die Kirchen Antworten liefern, so Gohl. Dazu gehöre für ihn die AfD: "Die AfD ist inzwischen eine rechtsradikale Partei - diese Klarheit ist unsere Pflicht." Zentral sei dabei eine Lehre aus der deutschen Geschichte. "Rechtsradikalismus führt ins Verderben. Er ist nicht mit dem christlichen Glauben vereinbar", so Gohl. In der NS-Zeit hätten die Kirchen zu lange nicht widersprochen: "Wir müssen es wagen, früh deutlich zu sein."

Die rechtspolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Clara Bünger, sagte der "Augsburger Allgemeinen" (Mittwoch): "Die Kirchen sind Teil der Zivilgesellschaft und haben selbstverständlich das Recht, sich kritisch zu politischen Themen zu äußern - gerade auch dann, wenn es Regierenden nicht gefällt." Es sei "befremdlich und besorgniserregend", dass man aus den Reihen der Union in jüngster Zeit vermehrt Äußerungen höre, die in die Richtung gingen, politisch unliebsame Meinungen zu unterdrücken.

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller attackierte Klöckner scharf und warf ihr den Versuch eines "faktischen Denk- und Sprechverbots für die Kirchen zu politischen Themen" vor. Die religiös motivierte Einmischung in politische und gesellschaftliche Diskurse unterliege nach dem Grundgesetz "keinen inhaltlichen Schranken, die Politiker den Kirchen und Religionsgemeinschaften errichten könnten", schrieb Schüller im "Kölner Stadt-Anzeiger" (Mittwoch). Schon der Versuch wäre verfassungswidrig.

Offenbar sei es die Haltung der Kirchen zur Migrations- und Asylpolitik der Union, die Klöckner aufgebracht habe. Die Kirchen müssten hier aber "Stachel im Fleisch" bleiben, schrieb Schüller in dem Zeitungsbeitrag.