Sie haben ihre eigene Sprache, in der es auf jedes Wort ankommt, eigene Regeln, ihre eigene Kultur. Jugendliche Fußballfans leben in einer besonderen Welt. "Die ist bunt und cool", sagt Jonathan Freudenberger. Aber sie ist auch gefährlich.Teenager, die sich voll und ganz dem Fußball verschrieben haben, vor Gefahren zu bewahren und ihnen in brenzligen Situationen beizustehen, das ist der Job des Fansozialarbeiters von der Evangelischen Jugendhilfe in Würzburg.
Freudenberger hat zusammen mit seinem Kollegen Johannes Bork Kontakt zu schätzungsweise 300 Fußballfans zwischen 12 und 27 Jahren.
Fansozialarbeit ist ein vergleichsweise unbekanntes Feld, in dem auch Diakonie und Caritas aktiv sind. Ein Angebot des Caritasverbands Paderborn ist das Fanprojekt Paderborn, eine sozialpädagogische Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung. Sie wurde im Herbst 2012 ins Leben gerufen.
Wie wichtig Fansozialarbeit im Einzelfall sein kann, zeigt Caritasmitarbeiter Marvin Schuck am Beispiel eines jungen Manns, der es jüngst während eines Fußballspiels mit der Polizei zu tun bekam. Mehrere Polizisten holten ihn aus dem Stadion und nahmen seine Personalien auf. Ihm wurde Sachbeschädigung vorgeworfen. "So etwas hatte er noch nie zuvor erlebt", sagt Schuck. Allein die Übermacht der Polizei verwirrte ihn: Vier Beamte standen dicht um ihn herum, weitere in nur geringer Entfernung. Schuck vermittelte. Noch Tage später habe sich der Jugendliche gefragt, wie es nun weitergehe und mit welchen Folgen er zu rechnen habe.
In der Öffentlichkeit sprechen Fansozialarbeiter nicht gern über ihre Arbeit. Sie wissen: Würden sie etwas publik machen, was den Fans nicht gefällt, wären die sofort weg. Dann wäre jahrelange Beziehungsarbeit zerstört. Fußballfans, vor allem die "Ultras", seien eine heikle Klientel. Manchmal werde schon ein versehentlich falsch verwendetes Wort als Vertrauensbruch gewertet, sagt Sozialarbeiter Freudenberger. Fansozialarbeit will jedes Spiel des jeweiligen Vereins begleiten, auch auswärts. Die Auswärtsfahrten, die für minderjährige Fans organisiert werden, sind von besonderer Bedeutung.
"Gerade hier kann Beziehungsarbeit geleistet werden", sagt Bork. Aufregung gab es unlängst bei einem Auswärtsspiel. Der "Vorsänger" der Würzburger Ultras, also derjenige, der die Kurve dirigiert, wurde beim Anpfiff vom Zaun geholt. Zäune zu besteigen, war in diesem Stadion verboten. Das sorgte im Block für Unmut. Den Fansozialarbeitern gelang es, zu deeskalieren: 200 Fans verließen das Stadion, statt ihrem Unmut freien Lauf zu lassen. Nur zehn minderjährige Fans blieben, begleitet von den Sozialarbeitern.
Die meisten Fanprojekte haben auch offene Angebote. In Würzburg befindet sich ein Fantreff im Jugendzentrum des Stadtteils Heidingsfeld. Im kleinen Hof nebenan kann eine Wand besprüht werden. Auch Graffiti gehören zur Jugend-Fankultur. Überhaupt sind die Fans kreativ: Sie gestalten Sticker, kreieren Fahnen und Spruchbänder oder üben Choreografien ein. Das ganze Leben dreht sich um den Fußball, viele haben außerhalb der Fanszene keine Freunde. Manchmal wird über dem Sport die Schule vernachlässigt.
Zudem besteht die Gefahr, in Abhängigkeit zu geraten. Fußball und Alkohol, aber auch Fußball und Drogen gehören für einige zusammen. Glücksspiele stellten ebenfalls eine Gefahr dar, sagt Bork: Ein Fan könne versucht sein, einen Teil der hohen Kosten, die sein Lieblingssport verschlinge, über Wetten hereinzuholen. Geldsorgen machen vielen Fanprojekten zu schaffen.
Die Finanzierung steht prinzipiell auf drei Säulen: Die Hälfte der Kosten kommt von den Fußballverbänden DFB und DFL, jeweils 25 Prozent tragen Kommunen und Bundesland. Der Zuschuss der Verbände ist auf 150.000 Euro im Jahr gedeckelt. In Paderborn wurde diese Summe nun erreicht, die Projektarbeit ist weitgehend ausgebremst. In Würzburg, wo sich Stadt und Landkreis die kommunalen Kosten teilen, stieg der Landkreis aus der Förderung aus. Das Fanprojekt hofft nun, dass die Stadt Würzburg in die Bresche springt.