Mehr Hilfe für psychisch kranke Geflüchtete

Frau leidet an Schizophrenie
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Geflüchtete sind häufig durch ihre Erlebnisse traumatisiert. Manche leiden unter schweren psychischen Krankheiten. Sie benötigen qualifizierte Hilfe.
Psychosoziale Zentren
Mehr Hilfe für psychisch kranke Geflüchtete
Attentate von Ausländern etwa in Aschaffenburg oder Magdeburg haben den Fokus auch auf die psychische Gesundheit von Geflüchteten gelenkt. Psychotherapeuten fordern bessere Rahmenbedingungen für deren Behandlung und beklagen eine Stigmatisierung.

Die psychosozialen Zentren für Geflüchtete in Niedersachsen und Bremen fordern von der künftigen Bundesregierung mehr Geld für die Unterstützung von traumatisierten Geflüchteten. Derzeit könnten die bundesweit 51 Zentren maximal vier Prozent der behandlungsbedürftigen Schutzsuchenden helfen, sagte die therapeutische Leitung von Refugio Bremen, Danja Schönhöfer, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch die psychotherapeutischen und psychiatrischen Angebote für diesen Personenkreis müssten ausgebaut, der Zugang dazu müsse erleichtert werden.

Allerdings gingen die aktuellen Willensbekundungen der politischen Entscheidungsträger nach Attentaten durch Migranten wie in Magdeburg oder Aschaffenburg in die entgegengesetzte Richtung, beklagte Schönhöfer. Sozial- und Gesundheitsleistungen sollen weiter gekürzt, die Asylpolitik verschärft werden. Es gebe sogar Forderungen, psychisch kranke Geflüchtete zu registrieren oder direkt aus psychiatrischen Kliniken abzuschieben. Das sei inakzeptabel.

Armin Wühle vom Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen betonte: "Der wirksamste Schutz vor Gewalt ist Behandlung, nicht Abschiebung." Psychisch erkrankte Menschen seien zuallererst Leidende. Wenn sie Gewalt ausübten, richte sich diese in den meisten Fällen gegen sie selbst, etwa durch selbstverletzendes oder suizidales Verhalten. Dass sie Gewalt gegen andere Menschen ausübten, sei eine Ausnahme.

Geflüchtete hätten für die ersten drei Jahre ihres Aufenthaltes, in denen sie unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, meist kein Anrecht auf eine Psychotherapie. Das müsse dringend geändert werden. Wühle forderte zudem eine bessere Ausstattung mit Dolmetschern und eine Zusammenarbeit von niedergelassenen Psychotherapeuten und Kliniken mit den psychosozialen Zentren. Als Vorbild nannte er das Modellprojekt "Refukey" in Niedersachsen. Mitarbeitende seien jeweils mit einem Stundenanteil beim Netzwerk und in einer psychiatrischen Klinik angestellt und könnten so die Klienten beim Übergang begleiten.

Weniger Hilfe, mehr Störungen

Aus der Sicht der Experten wird die aktuelle Diskussion in die falsche Richtung gelenkt. Psychisch kranke Geflüchtete würden pauschal als potenzielle Attentäter stigmatisiert, sagte Schönhöfer. Das führe unter anderem dazu, dass noch weniger Betroffene sich trauten, über ihre Traumata zu reden und sich Hilfe zu suchen.

Schönhöfer bezweifelt überdies, dass sich durch Psychotherapien Attentate verhindern lassen. Solche extremen Taten deuteten eher auf tiefgreifende Persönlichkeitsstörungen hin, die nur schwer behandelbar seien. Durch äußere Umstände erlittene Traumata seien hingegen vor allem für die Betroffenen selbst belastend und ließen sich gut behandeln.

Etwa 30 Prozent der Geflüchteten leiden laut Schönhöfer aufgrund der Erlebnisse in den Heimatländern und auf der Flucht unter Traumafolgestörungen und daraus folgenden psychischen Erkrankungen. Der unsichere Aufenthalt, der eingeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt und die oft prekäre Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften verschärften die Situation. Je länger medizinische und psychologische Hilfe ausbleibe, desto mehr Störungen weiteten sich zu chronischen Erkrankungen aus.

Diese Erkrankungen erschwerten die Teilhabe der Menschen etwa an Sprach- und Integrationskursen, führte Schönhöfer aus. Das führe zu einer weiteren Verschlechterung der psychischen Gesundheit und einer Verlängerung der Leiden. Die Betroffenen gerieten in eine Abwärtsspirale. Gesamtgesellschaftlich entstünden erhebliche Kosten.