"Ich habe ein Ziel, ich schaffe das"

Ausländische Pflegeschüler am Schreibtisch
epd-bild/Marion Linzmeier-Mehn
Ausländische Pflegeschüler lernen die korrekte Pflegedokumentation.
Pflegeschüler aus dem Ausland
"Ich habe ein Ziel, ich schaffe das"
Patienten versorgen, Arztgespräche, Pflegedokumentation: Um ausländische Pflege-Azubis auf ihre Arbeit in Deutschland vorzubereiten, gibt es in Neustadt einen besonderen Berufssprachkurs. Eine Lehrerin hilft ihnen über Hürden hinweg.

Prince Biju verstand nicht, was er an den Kopf geworfen bekam. "Du gehst hier raus", rief ein Patient dem großgewachsenen Inder böse entgegen, als dieser das Krankenzimmer betrat. Der 21-Jährige stand da gerade am Beginn seiner dreijährigen dualen Ausbildung zum Pflegefachmann. "Ich verstand den Mann nicht richtig, konnte nicht antworten", erinnert er sich.

Mittlerweile ist sein Deutsch richtig gut, und er könnte auch Anfeindungen etwas entgegensetzen. Den fremdenfeindlichen Vorfall habe er aber für sich abgehakt, sagt er. Einmal in der Woche besucht er in Neustadt an der Weinstraße einen Berufssprachkurs für Auszubildende zur Pflegefachkraft, die aus dem Ausland nach Deutschland gekommen sind.

Immer montags treffen sich Prince Biju, Mame Awa Samb aus dem Senegal, Ijlal El Guess, Ilyas Rafia und Abdelmonaim Ahfir aus Marokko, Albana Uka aus dem Kosovo und andere junge Pflege-Azubis im Bildungszentrum für Berufe im Gesundheitswesen: Eineinhalb Stunden, manchmal sogar einen ganzen Tag lang, machen sie sich fit in Deutsch.

Ein Start-Up in Kenias Hauptstadt Nairobi bietet Deutschkurse und Jobvermittlung für Krankenpflegepersonal. In Deutschland werden die ausgebildeten Fachkräfte dringend gesucht.

"In der Pflege ist Kommunikation mit Patienten, Ärzten und Pflegepersonal sehr wichtig", sagt Sprachlehrerin Annette Quantz. In dem besonderen Sprachkurs geht es um Hörverstehen, pflegerische und medizinische Fachsprache, aber auch um die Alltagssprache. Quantz kommt vom Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands, finanziert wird der spezielle Kurs vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Mehr als 50 Prozent haben Migrationshintergrund

Die Zahl der Auszubildenden in der Pflege, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, steige an, berichtet Nadine Scherer, die Leiterin der Pflegeschule. Mehr als 50 Prozent des Pflegefachpersonals habe einen Migrationshintergrund. Obwohl ausländische Bewerberinnen und Bewerber oft über ein gutes B2-Sprachniveau verfügten, sei es nötig, deren Deutsch- und Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern.

Zudem ließen sich durch den Kurs Ausbildungsabbrüche aufgrund von Sprachproblemen vermeiden, betont Scherer. Mit Blick auf den Fachkräftemangel in der Pflege sei es dringend nötig, die jungen Leute aus dem Ausland zu halten. Fast alle der ausländischen Schüler seien für den anspruchsvollen Pflegeberuf geeignet, "aber die Sprachbarrieren sind zu hoch", sagt Scherer. Einige mussten deshalb die Ausbildung zum Ende der Probezeit noch einmal neu beginnen.

Auf dem Kurs-Programm steht an diesem Nachmittag das Thema Pflegedokumentation, was im Alltag eine sehr wichtige Rolle spielt. "Ist '1A' im Bericht eine gute Formulierung?", will Sprachlehrerin Quandt von ihrer Klasse wissen. "Nein, das kann man nicht machen", meldet sich Mame Awa Samb aus dem Senegal. Alle sind hoch konzentriert, die Stimmung ist gut. Die jungen Leute sind wissbegierig und helfen sich gegenseitig. Für sie sei die Pflegeausbildung eine neue Perspektive für ein gutes Leben, sagt Schulleiterin Scherer. Aber sie hätten auch Angst, zu versagen, der Druck sei daher hoch.
Prince Biju hat sich bewusst für eine Ausbildung in Deutschland entschieden. "Sie ist besser als in Indien, wo man dafür bezahlen muss, oder in den USA und Kanada", sagt er. In einer dualen Ausbildung besuche man als Azubi die Schule und sammele zugleich praktische Erfahrung. Und man verdiene Geld und sei unabhängig, sagt er.

Einige der Pflegeauszubildenden haben schon in ihrer Heimat Sprachkurse besucht, so wie der 24-jährige Marokkaner Ilyas Rafia. Sprachlehrerin Quantz spielt eine Hörprobe ein: "Können Sie mir eine Schlaftablette bringen?" fragt eine Dame in zitterigem Hochdeutsch. Das geht, aber die Grenzen des Sprachverstehens seien erreicht, wenn Dialekt gesprochen werde, erzählen die jungen Leute.

Bei einem Punkt werden die jungen Arbeitsmigranten ganz ernst: Nicht immer fühle man sich willkommen in dem Land, das die neue Heimat werden solle. Anfeindungen, wie Prince Biju sie erfahren hat, rassistische oder diskriminierende Sprüche, gebe es schon, berichtet die Senegalesin Samb. Aber sie reckt trotzig den Kopf: "Mir ist das egal, ich mache Augen und Ohren zu", sagt die 29-Jährige. "Ich arbeite und bezahle meine Steuer hier. Ich habe ein Ziel, ich schaffe das, egal was passiert."