Zum unausrottbaren Klischee vom Ruhrgebiet gehört auch die Überzeugung, nirgendwo sonst auf der Welt seien die kleinen Leute so typisch wie hier: weil sie das Herz auf dem rechten Fleck tragen und sich nicht unterkriegen lassen. Deshalb handeln Tragikomödien aus dem "Ruhrpott" gern von Menschen, die ins Straucheln geraten, sich wieder aufrappeln, auch den nächsten Tiefschlag wegstecken, am Ende endlich ihr kleines Stück vom Glück abbekommen – und es dann im Zweifelsfall verschenken. "Ein Schnitzel für alle" (TV-Premiere war 2013) erzählt auch so eine Geschichte. Der Film ist die Fortsetzung von "Ein Schnitzel für drei".
Schon Teil eins war seinen beiden Hauptdarstellern auf den Leib geschrieben, denn Regisseur Manfred Stelzer wollte schon lange, dass seine beiden Lieblingsschauspieler Armin Rohde und Ludger Pistor endlich mal gemeinsam vor der Kamera stehen. Der erfahrene Komödienregisseur, der auch seinen vielen sehenswerten "Tatort"- und "Polizeiruf"-Krimis stets eine ironische Note gegeben hat, vermeidet allerdings den Fehler, sich allein auf die Zugkraft der beiden Westfalen (Rohe ist gebürtiger Gladbecker, Pistor kommt aus Herten) zu verlassen. Beide dürfen im Gegenteil beweisen, dass sie auch großartige Ensemblemitglieder sind, denn um sie herum agieren einige junge Darsteller, die weit mehr als bloß Stichwortgeber für die prominenten Kollegen sind (Buch: Katja Kittendorf).
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Statt des erhofften Jobs in Kanada bekommt der arbeitslose Tierpfleger Günni (Rohde) eine Stelle als Mädchen für alles in einer Wohngemeinschaft jugendlicher Behinderter. Als er durch Zufall rausfindet, dass Autist Hans in der Lage ist, beim Roulette die richtigen Zahlen vorherzusagen, träumt er umgehend davon, endlich auch mal einen Teil vom Kuchen abzubekommen. Das nötige Startkapital soll Kumpel Wolfgang (Pistor) beisteuern. Der gelernte Verkäufer von Herrenoberbekleidung ist zwar gerade erst in seinem neuen Job als Anlageberater auf die Nase gefallen, doch eine von Gattin Karin (Therese Hämer) organisierte Tombola hat 10.000 Euro eingebracht. Der Plan des Duos ist wasserdicht und geht tatsächlich auf; aber dann häufen sich die unvorhersehbaren Ereignisse.
Abgesehen von den diversen unvermuteten Wendungen der Handlung imponiert "Ein Schnitzel für alle" vor allem durch die darstellerischen Leistungen. Bei Rohde und Pistor war das zu erwarten, aber die jungen Schauspieler halten problemlos mit. Den nachhaltigsten Eindruck hinterlässt Rick Okon; der spätere "Tatort"-Kommissar aus Dortmund stand damals noch am Beginn seiner Karriere. Ähnlich gut sind Daniel Michel als Rollstuhlfahrer Robert sowie Anna Lange, eine junge Schauspielerin mit Down Syndrom. Blickfang des Films ist jedoch Cristina Do Rego, die schon im ersten Teil Wolfgangs Tochter verkörperte und diesmal ausgesprochen glaubwürdig Hans und Robert den Kopf verdreht.
Im Anschluss zeigt 3sat die Fortsetzung "Schnitzel geht immer" (21.45 Uhr). Diesmal scheint es das Leben zur Abwechslung mal mit Günni und Wolfgang zu meinen, auch wenn die beiden mit ihrer neuen Geschäftsidee gleich wieder zu scheitern drohen: Die Sachbearbeiterin im Jobcenter, Frau Gottschalk (Ramona Kunze-Libnow), verwehrt ihnen die nötige Starthilfe für ihren T-Shirt-Druck, weil sie sich weder vom ausgeklügelten Businessplan noch von Entwürfen wie "Hartz aber herzlich" überzeugen lässt. Prompt sieht der impulsive Günni rot, und weil er dann auch noch in einen Farbeimer tritt, malt er kurzerhand "Bratze" auf das Auto der Frau.
Voller Zorn läuft sie auf die Straße, wird im letzten Moment von Wolfgang vor einem LKW gerettet und revanchiert sich mit einer großen Geste: Kurz zuvor hat sie von Günnis gleichfalls langzeitarbeitsloser Nachbarin Johanna (Kathi Angerer) die korrekten Antworten für die nächste Ausgabe von "Quiz Doppel" bekommen, einer beliebten TV-Quizshow, in der die Sieger eine Million Euro gewinnen; Johanna hatte dort ein Praktikum gemacht. Auch wenn Frau Gottschalk den Freunden nur die Antworten für die ersten drei Fragen überlassen hat, wähnen sich die bescheidenen Männer am Ziel ihrer Wünsche: Mehr als 4.000 Euro, das Startkapital für ihre Firma, wollen sie gar nicht.
Doch der Weg ins Glück entpuppt sich als Achterbahnfahrt, in deren Verlauf die beiden ein regelrechtes Wechselbad der Gefühle durchleben. Regisseur des dritten Schnitzelfilms ist der Österreicher Wolfgang Murnberger, "Schnitzel geht immer" ist zwar kein typischer Ruhrgebietsfilm mehr, aber das tut der Unterhaltsamkeit keinerlei Abbruch; Ingo Haeb hat sein Drehbuch trotzdem mit großem Herzen für die kleinen Leute geschrieben.
Um 23.10 Uhr folgt mit "Schnitzel de luxe" Teil vier der Saga: Weil alle Weiterbildungsmaßnahmen nicht gefruchtet haben, ist selbst Frau Gottschalk mit ihrem Latein am Ende. Da ergibt sich aus heiterem Himmel ein Hoffnungsschimmer: Theo (Tilo Prückner), Inhaber der "Schnitzelbude", dem Stammlokal der beiden Freunde, will in den Ruhestand gehen. Seine Tochter würde Günther und Wolfgang den Imbiss für 10.000 Euro überlassen. Die Handlung ist diesmal allerdings recht vorhersehbar und harmlos-heiter; der Film lebt vor allem von den beiden Hauptfiguren und ihren Darstellern. Auch die Inszenierung (Micha Lewinsky) wirkt diesmal eine Nummer kleiner.