"Es gibt durchaus Menschen, die meinen, dass sie von einer westdeutsch geprägten Politik nicht gesehen wurden, und die sich von der aktuellen Politik nicht ausreichend repräsentiert fühlen", sagt die neue Sozialvorständin der Diakonie Deutschland. Elke Ronneberger wurde in Halle (Saale) geboren und war mehrere Jahrzehnte bei sozialen Trägern in Ostdeutschland tätig: "Wir tun gut daran, mit diesen Bürgerinnen und Bürgern wieder in den Dialog zu gehen."
Ronneberger verweist in diesem Zusammenhang auch auf die AfD, die negative Stimmungen verstärke, um davon zu profitieren. Die Diakonie-Vorständin betont zugleich, es gehe nicht nur um ein ostdeutsches Phänomen. "Auch in westdeutschen Regionen gibt es Gebiete, die sich abgehängt fühlen", sagt Ronneberger. Sie denke an "Gegenden, wo Menschen wenig Infrastruktur haben, keine Kulturangebote, keine Einkaufsmöglichkeiten, keinen Arzt".
In solchen Fällen seien "die Kommunen, aber auch Diakonie und Kirche und andere Einrichtungen, die dort noch präsent sind, gefordert, dort gute Angebote zu machen", sagt Ronneberger: "Wir müssen überall in Deutschland Räume schaffen, in denen Menschen ihre Kritik äußern können und gehört werden. Das ist die Voraussetzung dafür, Vertrauen zurückzugewinnen und gemeinsam Lösungen zu finden, die alle Teile der Gesellschaft einbeziehen."
Ronneberger hebt ihre Erfahrungen mit dem Projekt "#VerständigungsOrte" hervor, das die Diakonie und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) im vergangenen Sommer gestartet hatten und das Menschen mit unterschiedlichen Meinungen zusammenbringen soll. "Ich habe miterlebt, wie vehement diskutiert wurde, auch mal sehr laut, sehr emotional, aber am Ende gab es positive Rückmeldungen", berichtet die Diakonie-Vorständin. Es seien Sätze gefallen wie, "schön, dass mir endlich mal nach über zwei Jahrzehnten jemand zugehört hat". Das zeige, "wie wichtig es ist, dass wir in diesen Diskurs hineingehen", resümiert Ronneberger.
Kritik an "Schwarz-Weiß-Malerei" im Wahlkampf
Im epd-Gespräch kritisiert Ronneberger auch den Ton der aktuellen Wahlkampf-Debatten. "Es ist besorgniserregend, dass selbst die demokratischen Parteien zunehmend eine Sprache verwenden, die problematisch ist, insbesondere in den Debatten über Migration und die Zukunft des Bürgergeldes", so die Diakonie-Vorständin. "Diese Diskurse sind herausfordernd und schwierig, aber wir können und müssen sie führen, ohne grundlegende Werte wie die Menschenwürde zu missachten."
Die Zeiten seien unsicher, sagt Ronneberger. "Und genau deshalb müssen wir als Diakonie unsere Stimme erheben, um auf grundlegende Werte unserer Demokratie hinzuweisen", unterstreicht sie. "Populismus und vereinfachender Schwarz-Weiß-Malerei müssen wir etwas entgegensetzen." Ronneberger nennt als Aufgabe der Diakonie, das christliche Menschenbild in den Mittelpunkt zu rücken und immer wieder zu betonen, "dass die Menschen - in all ihrer Verschiedenheit - im Zentrum stehen müssen".
Mit Blick auf knappe Kassen und die Debatte über die Schuldenbremse sagt Ronneberger, es müsse über Verteilungsgerechtigkeit gesprochen werden. "Es ist falsch, immer nur die Schwächsten der Schwachen zu belasten, die sich am wenigsten wehren können und kaum eine politische Lobby haben." Alle Menschen sollten "ihrem Wohlstand entsprechend belastet werden", um das Sozialsystem zu sichern. "Klar ist allerdings auch, dass unser Wohlstand erhalten bleiben soll, und das klappt nicht, wenn man zu sehr an der Steuerschraube dreht."
Die Diakonie-Sozialvorständin forderte Investitionen in die sozialen Vorsorgesysteme: "Denn wir alle wissen: Vorsorge ist besser als Nachsorge; das ist gerade in Zeiten knapper Kassen ein kluger Ansatz."
In den vergangenen Jahren seien Präventionskonzepte in allen Bereichen zusammengestrichen worden, kritisiert Ronneberger. "Man muss deutlich machen, dass Prävention viel höhere Folgekosten einsparen kann."
Ronneberger hatte zu Jahresbeginn das Amt der Bundesvorständin Sozialpolitik bei der Diakonie übernommen. Die Diplom-Pädagogin arbeitete zuvor in der Geschäftsführung des Diakoniewerks Kloster Dobbertin, einem der großen sozialen Träger in Mecklenburg-Vorpommern.