Corona-Folgen bei jungen Menschen

Zurückgezogenes, trauriges Kind
pixabay/Pexels
Kinder und Jugendliche haben an den Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie besonders gelitten.
Fünf Jahre nach dem ersten Lockdown
Corona-Folgen bei jungen Menschen
Einsam, enttäuscht, depressiv, dick: Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen während der Pandemie haben bei einem Teil der Jungen und Mädchen nachhaltige Folgen gehabt. Ärzte und Kinderschutzbund mahnen Therapieplätze und eine politische Reaktion an.

Freitag, 13. März 2020: Vorerst ein letztes Mal gehen in Deutschland Kinder und Jugendliche in die Schule oder in die Kita. Am Montag danach, am 16. März, beginnt die Zeit der coronabedingten Schließungen. Sars-CoV2 und die durch dieses Virus ausgelöste Krankheit Covid-19 diktieren im Frühjahr 2020 ein wochenlanges Aus des öffentlichen Lebens - auch in Schulen, Kindertagesstätten, Vereinen.

"Social Distancing" lautet das zentrale Gebot: Abstand halten, Kontakte auf ein absolutes Minimum begrenzen, um so die Ansteckungsgefahr mit dem gefährlichen Coronavirus zu verringern, das Infektionsgeschehen zu reduzieren.

Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (Berlin), erinnert im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst aber auch an die psychosozialen Folgen, "an Bilder mit Absperrbändern auf Spielplätzen oder von mit Bauschutt zugekippten Skateboardplätzen". Dies habe "sehr konsequent die Kontakte in dieser jungen Generation verhindert".

Eine Analyse des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung aus dem vergangenen Jahr hält fest, dass die Kita- und Schulschließungen in Deutschland im Schnitt 183 Tage dauerten und zu einem "Anstieg der Angstsymptome und Depressionen bei Kindern und Jugendlichen, begleitet von einem deutlichen Rückgang der körperlichen Aktivität und Fitness" geführt hätten. "Erholung bislang nur teilweise", heißt es weiter.

"Wiedergutmachung" vermisst

Rodeck und auch Jakob Maske, Kinderarzt in Berlin sowie Pressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, verweisen darauf, dass ihre Organisationen schon früh vor möglichen psychischen Auffälligkeiten und Erkrankungen infolge der Social-Distancing-Maßnahmen gewarnt hätten. Spätere Daten hätten diese Befürchtung bestätigt. "Und das sind natürlich Erkrankungen, von denen man nicht sagt: 'Okay, jetzt ist der Lockdown vorbei, jetzt sind alle wieder gesund'", erläutert Maske.

Hinzu kamen: kein Sport und schlechte Ernährung, wie Maske sagt: "Weil Kinder gerade aus ärmeren Familien eben auch das Schulessen nicht mehr hatten und sich dadurch ungesund ernährten." Als Konsequenz hätten einige Kinder und Jugendliche zugenommen, bis sie adipös waren. Die krankhafte Fettleibigkeit sei ein "bleibendes Problem".

Er vermisst eine "Wiedergutmachung" durch die Politik: Kinderrechte im Grundgesetz? Fehlanzeige. Eine Kinder- und Jugend-Beauftragte nach dem Beispiel der Wehrbeauftragten? "Gibt es auch nicht", zeigt er sich desillusioniert. Immerhin: Einzelne Politiker hätten Fehler eingeräumt.

Einsamkeit und Ohnmacht

Sabine Andresen ist Jugendforscherin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Präsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes. Sie sieht zwei positive Ansätze: Schon 2020 seien "die Anrufzeiten der 'Nummer gegen Kummer' für Eltern, Kinder und Jugendliche erhöht worden". Und die Aufholprogramme der Bundesländer nach Pandemie-Ende seien der Einsicht gefolgt: "Wir müssen hier etwas tun." Das sehe sie "erstmal als wichtigen Schritt in die richtige Richtung".

Andresen hat an den sogenannten KiCo- und JuCo-Studien zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen mitgewirkt. Die JuCo-Studien sind wiederkehrende Untersuchungen. An den bislang vier Datenerhebungen nahmen fast 20.000 junge Menschen teil. "Eine grundsätzliche Erfahrung, die die Jugendlichen uns gegenüber artikuliert haben: 'Wir werden nicht gesehen, wir werden nicht gehört'", referiert Andresen ein zentrales Ergebnis. "Hier geht es um das Gefühl von Einsamkeit, von Ohnmacht."

Vertrauen verspielt

Es habe unter den Jugendlichen "durchgängig ein großes Verständnis für die Notwendigkeit von Corona-Maßnahmen" gegeben: "Junge Menschen, das zeigen unsere Studien, wollten ihre Großeltern und andere schützen und waren auch bereit, Opfer zu bringen."

Aber viele hätten eben auch das Gefühl, mit den daraus resultierenden Belastungen alleine gelassen worden zu sein. Aus Sicht der Jugendforscherin hat sich das fortgesetzt in der Debatte darüber, ob die Corona-Pandemie aufgearbeitet wird: "Mir hat gefehlt das ganz klare Bekenntnis: Wenn wir aufarbeiten, dann zusammen mit jungen Menschen, dann bekommen die einen ganz aktiven Part."

Burkhard Rodeck kritisiert, manche der Zumutungen für die junge Generation seien "nicht notwendig gewesen". Andresen sieht bei Jugendlichen das "Vertrauen dahin, dass ihre Interessen, ihre Rechte, auch ihre Gesundheit, ihre mentale Gesundheit tatsächlich von den politisch Verantwortlichen genügend gesehen werden". Sie verweist auch auf "junge Menschen, die schon vor der Pandemie mit Geldmangel klarkommen mussten" oder die in ihrer Familie Gewalt erlebt hätten. Sie seien durch die Coron-Maßnahmen stärker psychisch belastet worden.

Andresen und die beiden Kinderärzte plädieren zudem vehement für ein ausreichendes psychotherapeutisches Angebot für diejenigen Kinder und Jugendliche, die psychologische Hilfe dringend benötigten. Doch Therapieplätze seien Mangelware, kritisieren die Fachleute.