In Chemnitz ist erstmals das traditionelle Nagelkreuz von Coventry übergeben worden. Das weltweite Zeichen der Versöhnung fand im neu gegründeten Nagelkreuzzentrum in der Chemnitzer Stadtkirche St. Jakobi seinen Platz. Zu einem ökumenischen Gottesdienst mit der feierlichen Übergabe des Kreuzes versammelten sich am Mittwochabend rund 350 Menschen.
Der internationale Leiter der Nagelkreuzgemeinschaft und Dekan von Coventry, John Witcombe, sagte in seiner Predigt angesichts des wachsenden Nationalismus: "Wir, die wir zum Dienst und zur Botschaft der Versöhnung berufen sind, müssen aufhorchen." Es reiche nicht aus, "wenn wir nur aus unseren eigenen Echokammern heraus verurteilen". Es müsse versucht werden zu verstehen "und in Gnade und Demut zu antworten, soweit wir uns dazu in der Lage fühlen".
Die Nagelkreuzgemeinschaft ist eine weltweite Bewegung für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung. Ausgangspunkt ist die Kathedrale im englischen Coventry, die 1940 von der deutschen Luftwaffe zerstört wurde. Der damalige Domprobst von Coventry, Richard Howard (1884-1981), rief wenige Wochen später zur Versöhnung auf. Als Zeichen dafür ließ er drei Zimmermannsnägel aus dem ausgebrannten Dachstuhl der Kathedrale zu einem (Nagel-) Kreuz schmieden.
Bei der Gemeinschaft des Nagelkreuzes handelt es sich laut Witcombe "um eine weltweite Partnerschaft von Menschen, die sich, inspiriert von der Geschichte von Coventry, in ihren eigenen Kontexten für Versöhnung einsetzen". Der Dekan sagte: "Wir können uns gegenseitig ermutigen und auf dem Weg unterstützen, indem wir voneinander lernen und füreinander beten." Laut dem evangelischen Pfarrer Stephan Tischendorf soll das Chemnitzer Nagelkreuz auch ausgeliehen werden, zum Beispiel an Schulen oder Institutionen, um dem Thema Versöhnung mehr Aufmerksamkeit zu geben. Das Kreuz könne dann auch mehrere Tage oder Wochen an einem anderen Ort stehen.
Die Chemnitzer Stadtgesellschaft hatte am Mittwoch mit einem Friedenstag an die Opfer im Zweiten Weltkrieg und die Zerstörung der Stadt vor 80 Jahren erinnert. Die Nagelkreuzübergabe war einer der Programmhöhepunkte. Bei Luftangriffen der Alliierten auf Chemnitz kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges kamen zwischen dem 6. Februar und dem 11. April 1945 rund 4.000 Menschen ums Leben. Rund 80 Prozent der Innenstadt wurden zerstört.