Die Lage der Christen in der Türkei hat sich nach Angaben der christlichen Hilfsorganisation "Open Doors" verschlechtert. Unter Präsident Recep Tayyip Erdogan sei religiöser Nationalismus zu einer prägenden Kraft innerhalb der islamischen Gesellschaft geworden, erklärte das missionarisch ausgerichtete Hilfswerk m hessischen Kelkheim (Taunus) zur Vorstellung des Weltverfolgungsindex 2025. Wer kein Muslim sei oder sich vom Islam abgewandt habe, werde nicht als loyaler Türke betrachtet. Alle von Verfolgung betroffenen Gruppen von Christen hätten nur begrenzten Zugang zu Arbeitsstellen im öffentlichen Sektor.
Die Religionszugehörigkeit werde noch immer in den Personalausweisen vermerkt und Menschen "werden in der Privatwirtschaft vor allem dann diskriminiert, wenn die Arbeitgeber Verbindungen zur Regierung unterhalten", heißt es im "Länderprofil Türkei". Daher sei es ein Leichtes, Christen im Bewerbungsprozess zu benachteiligen. Der Leiter von "Open Doors"-Deutschland, Markus Rode, sieht trotz deutlich zunehmender Verfolgung aber auch Zeichen der Hoffnung: "Ich bin dankbar, dass Millionen verfolgter Christen ihren Glauben nicht aufgeben oder verleugnen, auch wenn bereits viele Christen in westliche Länder geflohen sind."
Insgesamt beobachtet das 1955 gegründete Hilfswerk eine weltweite Zunahme von Gewalt gegen Christen. Verantwortlich dafür seien religiös und politisch motivierte Gruppen sowie autokratische Regime wie etwa in Nordkorea: "Hier verfolgt man Christen seit Jahrzehnten mit brutaler Härte, zuletzt verstärkt mit Unterstützung aus China." In China gerieten Christen immer stärker unter den Druck des offiziell atheistischen Staates mit seinen strikten ideologischen Vorgaben und engmaschiger Überwachung. In der Negativ-Rangliste finden sich die 50 Länder, in denen Christen aufgrund ihres Glaubens laut "Open Doors" der stärksten Verfolgung weltweit ausgesetzt sind.
Die zehn Länder sind den Angaben zufolge Nordkorea auf dem ersten Platz, gefolgt von Somalia, Jemen, Libyen, Sudan, Eritrea, Nigeria, Pakistan, Iran und Afghanistan. Fast alle diese Länder waren schon in den Vorjahren ganz oben in der Rangfolge zu finden. Die bevölkerungsreichsten Länder der Welt, Indien und China, belegen die Ränge 11 und 15. Die Türkei nimmt auf dem Index Rang 45 ein, damit verschlechterte sich ihr Rang um fünf Plätze im Vergleich zum letzten Bericht. Berichtszeitraum des Index ist der 1. Oktober 2023 bis 30. September 2024. Der Weltverfolgungsindex sei "keine bloße Statistik, sondern soll verfolgten Christen dienen, in ihrem Leid wahrgenommen zu werden und Trost und Ermutigung zu erfahren".
Rechtliche Definition von Verfolgung existiert nicht
Laut Index wurden weltweit 4.476 Christen in Zusammenhang mit der Ausübung ihres Glaubens getötet, im Vorjahresbericht von 2024 waren es 4.998 getötete Christen. Angriffe auf Häuser von Christen hätten von 21.431 (2024) auf 28.368 erneut deutlich zugenommen. 380 Millionen Christen weltweit seien wegen ihres Glaubens mindestens in hohem Maße Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt (2024: 365 Mio.). "Open Doors" räumt ein, dass keine allgemein anerkannte rechtliche Definition des Begriffes Verfolgung existiert.
Bestimmte Situationen könnten als Verfolgung eingeordnet werden, wenn zum Beispiel Personen das Menschenrecht auf Religionsfreiheit nach Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verwehrt wird. Die Methodik des Weltverfolgungsindex folge "eher einer theologischen als einer soziologischen oder juristischen Definition". Die Daten liefern den Angaben zufolge kirchliche Netzwerke, regionale Menschenrechtsanwälte sowie Analysten. Die Einhaltung der Methodik werde durch das Internationale Institut für Religionsfreiheit geprüft und zertifiziert. "Open Doors" finanziert sich hauptsächlich durch Spenden von Privatpersonen und Unterstützern.