In die andere Richtung jetzt. Eine Reise durch Ostafrika
Navid Kermani hat einen ganz besonderen, vielschichtigen Reisebericht aus Ostafrika verfasst.
Sein persönlicher Reisebericht reicht von Madagaskar, den Komoren, Mosambik, Tansania, Kenia, Äthiopien bis in die sudanesischen Nuba-Berge. Ausgangspunkt ist die erste klimabedingte Hungerkatastrophe der Welt im Süden Madagaskars. Kermani schlägt einen Bogen zur Kolonialzeit in dieser Region, in der die Wirtschaftsinteressen mit Gewalt durchgesetzt wurden, Natur und Lebensbedingungen zerstört wurden. Heute wird die örtliche Bevölkerung zerrieben zwischen den Weltmächten, deren Großkonzernen und Milizen, der Klimakatastrophe und in den brutalen nachkolonialen Machtkämpfen rivalisierender Eliten.
Aber Kermani konstatiert nicht nur die Katastrophen; er kritisiert die Gier und Begehren schaffende kapitalistische Welt. Er sucht vor Ort Kontakt zu den Menschen, führt viele Gespräche, reflektiert sich in seiner Rolle als Reisender. Er sieht die Kraft der Philosophie, der Religionen, der Rituale und der Musik und gibt einen feinfühligen Blick auf die verschiedenen ethnischen Erzählungen.
Ein kluges Buch mit weltpolitischem Weitblick. Es gibt viele Anregungen, bietet einen differenzierten Blick auf Geschichte und globale Verantwortlichkeiten. Sehr empfehlenswert. Renate Schalück
In die andere Richtung jetzt. Eine Reise durch Ostafrika. Navid Kermani. München: C.H.Beck 2024. 271 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-406-81969-8, geb.: 26,00 €
Der unendliche Gipfel
Ein Roman über alles, was man schon immer über das Bergsteigen wissen wollte.
Äußerst geschickt hat der Autor einen Plot entworfen, in dem zwei fiktive niederländische Bergsteiger von ihren Anfängen beim Klettern an einem heimischen Brückenpfeiler über das Erklimmen von Alpengipfeln bis hin zu Himalaya-Expeditionen begleitet werden. Elegant hineingewoben, auch mit Zitaten, ist die Geschichte des Alpinismus und seiner prägenden Personen, wie Edward Whymper, der als erster das Matterhorn bestieg, Edmund Hillary und Tensing Norgay, die zuerst auf dem Mount Everest waren, Reinhold Messner, der ihn ohne Sauerstoff bestieg oder Alison Hargreaves, die dies als erste Frau schaffte. Alle waren sie süchtig nach den Bergen. Auch die beiden Protagonisten ordnen ihnen ihr Leben komplett unter, obwohl der Tod allgegenwärtig ist. Warum sie alle immer wieder größte Risiken eingehen, ist das zentrale Thema des Buchs. Das in kraftvoll-bildhafter Sprache fesselnd formulierte Werk wurde 2022 mit dem Niederländischen Buchhandelspreis ausgezeichnet.
Für alle, die per Buch gerne in die extreme Natur entfliehen. Ein zeitloses Werk. Tobias Behnen
Der unendliche Gipfel. Roman. Toine Heijmanns. Dt. von Ruth Löbner. Hamburg: Mairisch 2024. 343 S. ; 21 cm. Aus d. Niederländ. ISBN 978-3-948722-38-8, kt.: 16,00 €
Annemarie
Annemarie Schwarzenbach war Schriftstellerin, Fotografin und Reisende in den dreißiger Jahren des 20.Jahrhunderts.
Reichtum, Einfluss und Beziehungen des Elternhauses ermöglichten Annemarie Schwarzenbach ein ungewöhnlich ungebundenes, freies und spannendes Leben. Sie liebte Frauen, die Wahrheit, die Literatur und die Kunst. Ihre genaue Wahrnehmung der Welt lässt sie rasch gegen den erstarkenden Faschismus in Europa Stellung beziehen. Das entfremdet sie von ihrem Elternhaus. Aber auch ihr Lebensstil aus Freizügigkeit, Weltoffenheit und ihr Drogenkonsum zerrütten ihre Verhältnisse. Die Graphic Novel der beiden spanischen Künstlerinnen setzt das facettenreiche Leben in gewagten und ungewöhnlichen Bildern in Szene. Die Selbstvernichtung der jungen Frau durch Suizidversuche, Sucht und Leichtsinn wird nicht ausgespart, ihre Begabung als Schriftstellerin und Fotografin ins rechte Licht gerückt. Das Kunstwerk erweist sich als konsequent feministisch: die Schwarzenbach darf allein leben, lieben und zugrunde gehen. Ihre berühmten Kontakte (besonders die Männer) erscheinen nur am Rand. Christiane Thiel
Annemarie. Die Comic-Biographie von Annemarie Schwarzenbach. María Castrejón. Ill. von Susanna Martín. Dt. von Myr Bloch u.a. Basel: Lenos 2022. 163 S. : überw. Ill. ; 27 cm. Aus d. Span. ISBN 978-3-03925-020-2, geb.: 29,80 €
Die Heldin reist
Doris Dörrie schreibt darüber, was es heißt, als Frau in der Welt unterwegs zu sein und dabei zur Heldin der eigenen Geschichte zu werden.
Die bekannte Regisseurin und Autorin verbindet in "Die Heldin reist" prägende Reiseziele ihres Lebens - San Francisco, Kyoto und Marrakesch - mit weiblichen Reiseerfahrungen ihrer Freundinnen und sich selbst. Der rote Faden ist eine Reise, die für Frauen nie vorgesehen war, die Heldenreise. Jahrhunderte verbrachte sie damit, zu Hause auf den irgendwann zurückkehrenden Helden zu warten. Erst seit der Mitte des 20. Jahrhunderts brechen Frauen immer mehr selbst auf und setzen sich dem Leben in all seinen Widersprüchlichkeiten und kulturellen Unterschieden aus. So auch Dörrie selbst, die nach ihrem Schulabschluss in Hannover furchtlos nach Kalifornien ging, um Theater und Schauspiel zu studieren. Immer wieder konfrontiert sie sich auf ihren Reisen mit dem Unbekannten, dem manchmal Unbequemen und reflektiert dabei sich und die eigene, weibliche Rolle in der Welt. Dabei werden so spannende Fragen aufgeworfen wie: Reisen Frauen anders oder wann ist man eigentlich eine Heldin? Entstanden ist ein sehr persönlicher Text mit Sogwirkung, der von großer Offenheit und Verletzlichkeit geprägt ist; manchmal zum Lachen, manchmal zum Weinen.
Ein durch seine Vielschichtigkeit und Unvorhersehbarkeit bestechender Text, der anregt, über sich und die eigene Geschichte namens Leben nachzudenken. Marie Varela
Die Heldin reist. Doris Dörrie. Zürich: Diogenes 2022. 239 S. ; 19 cm. ISBN 978-3-257-07184-9, geb.: 22,00 €
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