Diakonie: Im Wahlkampf sachlich bleiben

Eine ältere Frau hält ein Portemonaie mit einigen Geldmünzen in ihrer Hand
epd bild / Steffen Schellhorn
Im Haushaltsentwurf waren laut Berechnungen von Sozialverbänden ursprünglich Kürzungen von 83 Millionen Euro im sozialen Bereich vorgesehen.
Mehr lösungsorientiert denken
Diakonie: Im Wahlkampf sachlich bleiben
Der Vorstand des Diakonischen Werkes Rheinland-Westfalen-Lippe, Christian Heine-Göttelmann, fordert eine sachliche Wahlkampfdebatte über soziale Fragen in Deutschland. "Wir brauchen eine gemäßigte Diskussion der Vernünftigen", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf.

Bisher werde über das Sozialsystem meist nur anhand von "kleinen aufgeheizten Themen diskutiert". Als Beispiel nannte er das Bürgergeld. Ihm fehle eine übergeordnete Strategie und eine verlässliche Finanzierung, betonte Heine-Göttelmann.

Die Sozialsysteme seien ausgereizt, dazu wünsche er sich eine sinnvolle und lösungsorientierte Debatte. "Sozialstaat hat immer mit der Idee der Umverteilung zu tun und wenn man das mal sachlich diskutieren würde, wäre schon viel getan." Themen gegeneinander auszuspielen, etwa Sicherheit und den Sozialstaat, sei hingegen nicht zielführend für die Gesellschaft und den Zusammenhalt.

Auch in Nordrhein-Westfalen vermisse er eine übergeordnete Strategie, sagte Heine-Göttelmann mit Blick auf die im Landeshaushalt beschlossenen Sozialkürzungen. Einerseits betone die Landesregierung, dass Geld fehle und erst wieder stärker gefördert werden könne, wenn der Arbeitsmarkt sich erholt. Gleichzeitig werde aber die Berufseinstiegsbegleitung fast um die Hälfte gekürzt. "Das ist nicht logisch", sagte der Vorstand der Diakonie RWL.

Im Haushaltsentwurf waren laut Berechnungen von Sozialverbänden ursprünglich Kürzungen von 83 Millionen Euro im sozialen Bereich vorgesehen. Nach einer großen Demonstration der Freien Wohlfahrtspflege Mitte November hatte die schwarz-grüne Landesregierung beschlossen, rund die Hälfte der zunächst geplanten Kürzungen wieder zurückzunehmen.

Doch diese Rechnung stimme nur auf dem Papier, sagte Heine-Göttelmann. Etwa 11,3 Millionen Euro der zurückgenommenen Kürzungen sollen aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert werden. Es sei allerdings eine "sehr optimistische Wette" dass diese Mittel tatsächlich in den entsprechenden Bereichen ankommen. Die Beantragung sei sehr komplex und fehleranfällig. Viele, vor allem kleinere Organisationen, hätten nicht die Kapazitäten dafür.

Die beschlossenen Einsparungen würden unter anderem Hilfen für Menschen mit Behinderung besonders hart treffen, erklärte der evangelische Theologe. Hier fällt nach Berechnungen der Diakonie etwa die Hälfte der Landesförderung weg. Komplett gestrichen würden die Mittel für die Familienbildung für Flüchtlingsfamilien (knapp eine Million Euro) und die Schwangerenberatung für geflüchteten Frauen (knapp 800.000 Euro).

Im Bereich Migration, Flucht und Integration herrsche mit Blick auf die Kürzungen noch große Unsicherheit, erklärte der Diakonie-Vorstand. Das Land baue in dem Bereich zum Teil auf Gelder vom Bund, der aber noch keinen Haushalt verabschiedet hat. "Wegen der Unsicherheit sind schon einige Jobs weggefallen, aber viele Träger versuchen durchzuhalten, bis ihnen die Puste ausgeht", sagte Heine-Göttelmann.