Bücher über das Älterwerden

Lesebrille auf Buch
Kari Shea/Unsplash
Drei Eliport Buchtipps zum Thema "Älter werden", die neugierig machen.
Blick in die Literatur: Buchtipps
Bücher über das Älterwerden
Egal, wer wir sind; das Alter betrifft uns alle irgendwann. Auch wenn wir heute dank des medizinischen Fortschritts und Wohlstands größtenteils besser – aber auch länger – altern. Uns bleibt heute also Zeit zur Lebensrückschau. Man hat Zeit, sich zu fragen und nachzuspüren, was sich angesichts körperlich nachlassender Kräfte und mehr Falten vielleicht auch auf anderen Ebenen ändert. "Alt wird man wohl, wer aber klug?", fragte Mephisto in Goethes Faust. Gute Frage! Das Evangelische Literaturportal empfiehlt in dieser Woche Romane, die vom Älterwerden erzählen und davon, was das Alter bereit halten kann.

Die dritte Hälfte

Roman über einen menschenfreundlichen Hausarzt im Hamburger Stadtteil St. Georg und seinen Blick auf die Welt.

Sabine Peters: Die dritte Hälfte.

Sabine Peters, Evangelische Buchpreisträgerin 2005, ist nicht nur eine großartige Beobachterin, sie hat auch die Sprache, um uns Lesende in den Sog des kleinen Kosmos von Hermann Dik - genannt Doc - zu ziehen. Er praktiziert "im Schlauch", und erwartet dort die Patienten, die Christine mit ihren "4 Augen und Ohren und ihren sechs Armen und Flügeln" zu ihm schickt. "Tür auf, einer raus, einer rein, Tag Herr Doktor." Zitate aus Literatur, Bibel, Sprichwörtern durchziehen den Erzählstrom und zeigen Docs Herkunft aus katholischem, bildungsbürgerlichem Milieu. Verwitwet und alleinstehend lebt er mit wenigen Kontakten: der Nachbarin Mechthild, die ihn braucht, wenn ihr Sohn Kilian, ein Umweltaktivist, zu Besuch kommt, seiner Schwester Kerstin und - am wichtigsten - seinem Jugendfreund Brummer, einem pensionierten Kunsthistoriker. Der Text hat nicht nur einen bestechenden Realismus, sondern bringt immer wieder mit Träumen, Kindheitserinnerungen und Docs "blauem Buch" Poesie, die Frage nach der Identität, dem Rätsel der Zeit (die nicht vergeht, sondern in uns hineinkriecht) und dem Sinn unseres Lebens ins Spiel.

Ein wunderbares Buch über das Älterwerden, den Blick auf die folgende Generation und den Wert der Freundschaft.

Peters, Sabine: Die dritte Hälfte. Roman. Göttingen: Wallstein 2024. 231 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-8353-5760-0, geb.: 22 €

 

Mitte des Lebens

Philosophisches Beratungsbuch für alle Suchenden, die sich in der Mitte des Lebens existentiellen Fragen stellen.

Barbara Bleisch: Mitte des Lebens. Eine Philosophie der besten Jahre.

Suchende zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr und älter haben mit diesem Buch eine ausgezeichnete Wahl getroffen. Die Autorin, eine promovierte Philosophin aus der Schweiz, verdeutlicht eindrucksvoll, wie bereichernd es sein kann, philosophisch über die Lebensmitte nachzudenken. In ihren Augen ist diese Lebensphase, trotz möglicher Krisen, eine Zeit der Fülle. Bedeutende Persönlichkeiten, von Philosophen wie Martin Heidegger und Aristoteles bis hin zu Schriftsteller:innen wie Simone de Beauvoir und Albert Camus, tragen wertvolle Gedanken zu den Themen bei, die Menschen in dieser Lebensphase bewegen. Besonders bereichernd sind die Überlegungen der Autorin zu Themen wie Lebensbilanz, Blüten des Daseins, verpasste Chancen und die Suche nach neuen Lebenszielen. All dies wird in einer sprachlich anspruchsvollen Weise vermittelt. So werden Leser:innen inspiriert, die gewonnenen Einsichten in das eigene Leben zu integrieren und einen weiteren Schritt hin zu einem erfüllten Leben zu wagen.

Ein animierendes, zuversichtliches und anspruchsvolles Buch.

Bleisch, Barbara: Mitte des Lebens. Eine Philosophie der besten Jahre. München: Hanser 2024. 271 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-446-27968-1, geb.: 25 €

 

Dämmerung

Ein Hamburger Manager erlebt die Phase des Älterwerdens.

Michael Kleeberg: Dämmerung.

Karlmann Renn, genannt Charly, ist Geschäftsführer eines mittelständischen Hamburger Handelsunternehmens. Im letzten Teil der Trilogie über sein Leben, nach "Karlmann" (2007) und "Vaterjahre" (2014), wird er 60, was groß im Golfclub gefeiert wird. Bald danach stirbt, mitten in der Coronazeit, sein Vater, den er als Leiter eines Kulturhauses beerbt. Der Autor (Evangelischer Buchpreis 2011) weiß, wie Menschen ticken. Er vermittelt authentisch, wie sie das Altern erleben und wie egoistisch und berechnend sie sein können. So ahnt der Protagonist, der auf dem Papier noch verheiratet ist, wann eine seiner vielen Beziehungen vor dem Ende steht und bahnt gleich die nächste an. Die Sprache fließt, ohne jemals oberflächlich zu werden - auch nicht bei der Beschreibung von oberflächlichem Verhalten. Eine belebende Besonderheit ist der Erzähler, der sich aus einer eigenwilligen Mischung aus der allwissenden und der Ich-Perspektive gelegentlich zu Wort meldet.

Ein literarisch herausragendes Werk.

Kleeberg, Michael: Dämmerung. Roman. München: Penguin 2023. 476 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-328-60011-4, geb.: 26 €

 

evangelisch.de dankt dem Evangelischen Literaturportal Eliport für die inhaltliche Kooperation.