Ostern in der kirchlichen Kunst

Erste Rückseite des Isenheimer Altars in Colmar
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Wohl das meistreproduzierte Bild über Ostern stammt von Matthias Grünewald um 1512.
Christliche Kunstgeschichte
Ostern in der kirchlichen Kunst
Welche Bilder von Ostern werden in der christlichen Kunst am häufigsten reproduziert und warum? Wie entwickelte sich die Bildsprache der Auferstehung Jesu im Christentum? Johann Hinrich Claussen, EKD-Kulturbeauftragter, zeigt Beispiele und führt durch die Kunstgeschichte.

Die christliche Kunst über Ostern und die Auferstehung Christi hat sich gewandelt. Der Kulturbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen berichtet im Gespräch mit evangelisch.de wie sich die kirchliche Kunst entwickelt hat. 

Frage: Herr Claussen, welches Bild ist Ihrer Meinung nach das häufigste Ostermotiv, in der reproduzierten kirchlichen Kunst? 

JH Claussen: Meine Vermutung wäre der auferstandene Christus auf dem Isenheimer Altar von Matthias Grünewald, in Colmar. Es ist einfach das schönste und überzeugendste Auferstehungsbild. 

Das Bild ist zwischen Jahr 1512 und 1516 entstanden. Warum ist es so überzeugend?

Claussen: Seine Wirkung erklärt sich zunächst aus dem Kontrast zu dem erschreckenden Bild des Gekreuzigten des Altarbildes. Hier ein entstellter toter Körper, dort eine leuchtende Vision.

Ein Renaissance-Bild als Dauerbrenner auch 500 Jahre später? 

JH Claussen: Ja, dieses Bild spricht Menschen immer noch an. Es ist ja nicht einfach, das Unsagbare ins Bild zu bannen. Grünewald aber hat geschafft vor allem mit seinen Farben. Das Interessante an dem Bild – mehr noch als die eigentliche Figur Christi - sind die Farben. Der Auferstandene strahlt und leuchtet. Das verweist schon auf die Moderne, in der gegenständliche Auferstehungsbilder kaum mehr zu finden sind und wo stattdessen mit Licht und Farbe gearbeitet wird, also abstrakter.

Ab wann gibt es erste Osterbildnisse mit der Auferstehung Christi? 

JH Claussen: Es hat mindestens vier Jahrhunderte gebraucht, bis sich im Christentum eine Bildsprache für den Kern des eigenen Glaubens entwickelt hat – jedenfalls nach dem, was heute erhalten ist. Eine neue christliche Bildwelt war musste erst langsam und mühsam erarbeitet werden. Und zwar sowohl für die Passionsgeschichte, mit dem Messias als Gekreuzigten. Aber auch für das Ostergeschehen mit der Auferstehung Christi.

Johann Hinrich Claussen ist Kulturbeauftragter des Rates der EKD

Ein Beispiel?

JH Claussen: Erste Darstellungen der Auferstehung finden sich im vierten, vor allem im fünften Jahrhundert. Erhalten sind eine Reihe von Elfenbeinarbeiten. Es waren Kunsthandwerker, die die Ostergeschichte nacherzählen haben, auf dem Maskell-Elfenbeinkästchen etwa. Sie erzählen geradezu realistisch – mit immer auch interessanten theologischen Gedanken: Jesus am Kreuz wirkt schon fast wie ein Auferstandener. Noch am Kreuz hat er schon den Tod überwunden, wird stark und muskulös mit erhobenem Haupt abgebildet, er steht schon über der Welt.

Werden auch Himmelfahrten dargestellt?

JH Claussen: Ja, auf der sogenannten Reiderschen Tafel aus dem Rom des frühen fünften Jahrhunderts, heute im Bayerischen Nationalmuseum München (vgl. Foto): Eine Elfenbeindarstellung mit dem offenen leeren Grab. Mit den Frauen, die zur Salbung kommen. Im Hintergrund jemand, der Zeuge ist und das Geheimnis bewahrt. Man muss dabei sehen, dass dies keine kirchlichen Auftragswerke warenwaren, sondern das haben Kunsthandwerker geschaffen. Wie weit sie sich mit ihren meist privaten Auftraggebern besprochen haben, können wir natürlich nicht mehr sagen. 

Erste Auferstehungsdarstellungen: Reidersche Tafel, um 400, Elfenbeinschnitzerei, im Bayerischen Nationalmuseum in München.

Was ist noch zu sehen? 

JH Claussen: Man sieht das heilige Grab, das wie ein imperiales Mausoleum gestaltet. Dahinter ein paradiesischer Olivenbaum mit Vögel darin. Die drei Frauen, zwei schlafende Soldaten und sitzend ein Engel, der den Frauen erklärt, dass das Grab leer sei. Rechts oben sieht man Christus, wie er einen Gipfel erklimmt. Zu seinen Füßen kauern dann zwei Jünger. Aus einer Wolke kommt eine Hand Gottes, die die rechte Hand Christi ergreift und zu sich zieht. Also Ostern und Himmelfahrt in einem Bild. So entwickelt sich in einem kreative Prozess eine christliche Bildsprache.

Was ist denn das häufige Motiv auf Altären in den Kirchen?  

JH Claussen: Ich habe jetzt keine Statistik aller christlichen Bilder und Altäre. Aber ich würde vermuten, dass das Bild des leidenden Christus zentral ist. Das hat theologische Gründe. Jesu Tod ist unmittelbarer mit dem verbunden, was am Altar passiert: Sein Opfer wird – so die katholische Lehre - in der Eucharistie vergegenwärtigt. Insofern gibt es eine enge Verbindung von Kreuzigung als der Erlösungstat Christi mit dem gottesdienstlichen Geschehen. 

Die Kreuzigung dominiert Bilderwelt am Altar?

JH Claussen: Ja. Oft wird auf größeren Altarretabeln die ganze Geschichte Christi erzählt, Von der Verkündigung der Schwangerschaft, der Geburt, über die Passion bis zu Auferstehung und Himmelfahrt in kleinen Kästen, wie bei Comics. Doch mit dem 19. Jahrhundert verändert sich das. Diese ausschließliche Fokussierung auf die Kreuzigung löst sich auf.

So spät, warum?  

JH Claussen: Für die katholische Lehre war die Kreuzigung eng mit der Eucharistie verbunden. Für die evangelische Kirche war Luthers Kreuzestheologie zentral. Es mögen auch ästhetische Gründe eine Rolle gespielt haben. Die Kreuzigung lässt sich besser und interessanter darstellen als die Auferstehung.

Viele Jahrhunderte dominiert ein schwebender Jesus über dem leeren Grab.

JH Claussen: Vor allem aus der Barockzeit gibt es viele Bilder des Auferstandenen, der sich über das Grab erhebt: Bilder des Triumphs. Auf mich wirken sie oft spannungslos und unglaubwürdig. Die Auferstehung ist wirklich kaum darzustellen. 

Wie schätzen sie das Pantokrator-Motiv ein: Christus als Weltenherrscher? Ist das nicht auch ein Auferstehungsbild? 

JH Claussen: Das ist nicht das Bild des Auferstehenden, sondern des Auferstandenen, der Ostern längst hinter sich hat. Das ist ein frühes Motiv und kommt aus der apokalyptischen Bildtradition: Am Ende aller Zeiten herrscht Christus über die ganze Welt und übt Gerechtigkeit. Er hält ein Buch hoch und mit der rechten Hand segnet er den Betrachter. Er errichtet sein himmlisches, ewiges Reich auf Erden. Das Bild ist nur denkbar aufgrund des Glaubens an die Auferstehung Christi. Es hat mit der Auferstehung zu tun, aber es ist im Grunde deutlich nachösterlich. 

Ikone mit Jesus als Weltenherrscher (Pantocrator), 6. Jahrhundert, Katharinenkloster auf dem Berg Sinai.

Ist der Christus als Weltenherrscher nur in den Ostenkirchen, den orthodoxen Kirchen bekannt? 

JH Claussen: Nein, es ist ein weit verbreitetes Motiv in der gesamten antiken Christenheit, sowohl im Osten als auch im Westen. Es ist Ausdruck einer Hoffnung auf ein Friedensreich, gerade in einer Zeit, in der Friedensordnungen sich aufgelöst haben. Der Pantokrator ist weiterhin in der gesamten orthodoxen Bildtradition präsent, in den Ikonen etwa - aber im evangelischen Bereich tritt das zurück.

Wenn wir jetzt in die Bildsprache des 20. Jahrhunderts blicken - wie und warum verschwinden Osterbilder mit dem Körper Christi? 

JH Claussen: Was sich gewandelt hat, ist der Glaube vieler Menschen. Er ist stärker von Zweifeln und Rückfragen bestimmt und ist nicht mehr so objektiv und gegenständlich. Zugleich hat sich die Kunst gewandelt. Sie geht weg von einem vermeintlichen Realismus und versucht, tiefere Sinnenebenen offener zu gestalten. Dabei löst sie sich vom "Objekt" der Christusfigur. Insofern machen Kunst und Glaube in der Moderne eine ähnliche Entwicklung durch. Der Glaube an die  Auferstehung Christi und die Bilder ihr werden subjektiver, individueller, weniger institutionell festgelegt, weniger objektiv greifbarer. Das ist eine sehr schöne Parallele. 

Auferstehung unter dem Eindruck von Krieg und Zerstörung 1916: Vom Expressionisten Max Beckmann.

Der Zweifel bekommt in der Kunst mehr Raum. An eine leibliche Auferstehung glauben immer weniger. Das fließt in die sakrale Kunst ein? 

JH Claussen: Genau. Allerdings möchte ich noch auf die interessanten Auferstehungsbilder von Max Beckmann hinweisen. Es gibt ein großes Gemälde von ihm, das leider Fragment geblieben ist, und Vorstudien. Darin wird die Auferstehung Christi zu einer Art Kontrastfolie zu den Gräueln des 20. Jahrhunderts. 

Gab es vor dem Expressionisten noch ein Beispiel?

JH Claussen: Ja, ich möchte auf Caspar David Friedrich hinweisen, der gut 100 Jahre zuvor ganz zarte, fast melancholische Auferstehungsbilder geschaffen hat. Der Ostermorgen etwa: Frauen gehen durch eine früh beleuchtete, noch bisschen diesige Landschaft, Das ist so ein zaghafter, feiner Glaube, der sich da ausspricht, so gar nicht triumphalistisch. Das ist anders als wir es aus Barockkirchen kennen. Da wird der Sieg Christi mit Pracht und theatralischem Effekt zelebriert. Das ist bei Caspar David Friedlich zurückgenommen.

Thema Auferstehung bei Caspar David Friedrichs "Zum Licht aufsteigende Frau" - Lieblingsbild von Johann Hinrich Claussen.

Kann man diese Osterbilder in Greifswald oder einer Kirche in Mecklenburg-Vorpommern finden? 

JH Claussen: Im Pommerschen Landesmuseum gibt es mein Lieblingsbild von Caspar David Friedrich. Es ist recht klein. Darauf zu sehen ist seine Frau, wie sie mit einer Kerze die Stiege im Haus hochgeht. Das Bild heißt "Zum Licht aufsteigende Frau". Es kommt ganz alltäglich daher, besitzt aber eine mystische Qualität. Auch so kann man den Glauben an die Auferstehung abbilden. Es geht nicht bloß um ein jenseitiges Geschehen, sondern um eine innere Stimmung in der eigenen Seele.  

Das Motiv ist aber schon für Fortgeschrittene? 

JH Claussen: Das ist sicherlich etwas für Fortgeschrittene. Die Beliebtheit von Caspar David Friedrich zeigt aber, dass es viele Fortgeschrittene gibt.

Im 21. Jahrhundert sind Auferstehungsbilder doch eher selten geworden. In der profanen Welt dominiert der Osterhase, aber der taucht in den Kirchen gar nicht auf. 

JH Claussen: Einen Osterhasen habe ich noch nie in einer Kirche gesehen - außer in Schokoladenform beim österlichen Familiengottesdienst.

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