Besonders gefragt: Telefonseelsorge im Sommer

Senior am Telefon
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Chronische Krankheiten, Sorgen oder einfach das Bedürfniss mit jemanden zu reden, sind Gründe bei der Telefonseelsorge anzurufen.
Einsam bei Sonnenschein
Besonders gefragt: Telefonseelsorge im Sommer
Nicht jeder verbindet den Sommer mit fröhlichen und vielfältigen sozialen Kontakten. Viele Menschen fühlen sich besonders einsam, wenn draußen das Leben tobt. Helfen kann ein Anruf bei der Telefonseelsorge, beispielsweise in Lübeck.

Einsamkeit ist nicht nur ein Phänomen der grauen Wintermonate. Auch den Sommer verbringen viele Menschen sozial isoliert, stellt Pastor Frank Gottschalk fest. "Viele Menschen glauben immer, dass das besonders in der Advents- und Weihnachtszeit ein dringendes Thema ist", erklärt der Leiter der Telefonseelsorge Lübeck. "Dem ist nicht so, sondern es verteilt sich wirklich gleichmäßig über das Jahr.

Einsamkeit ist eines der großen Themen der Telefonseelsorge Lübeck. Ein Viertel aller Anrufe dreht sich laut Gottschalk darum. Aber nur wenige Betroffene sagen: "Ich bin einsam" und bitten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um Hilfe. Sie suchen vielmehr ein offenes Ohr, erklärt der Seelsorger. "Viele Gespräche sind überhaupt nicht lösungsorientiert, sondern es sind in hohem Maße Entlastungsgespräche. Menschen wollen einfach mal in Ruhe davon erzählen können, wie sich eine Situation oder das Leben gerade für sie anfühlt."

Oft seien es die chronisch einsamen Menschen, die sich bei der Telefonseelsorge melden und zu Mehrfachnutzern werden. Ihre depressiven Verstimmungen nähmen im Sommer häufig zu oder sind intensiver, beschreibt Gottschalk. Der Kontrast zwischen Außenwelt und eigenem Gefühlsleben verstärke sich. "Wenn ich das Gefühl habe, für mich persönlich ist alles grau und dann erlebe ich die Welt da draußen und ich sehe Helligkeit. Ich sehe Sonne, blauen Himmel, Menschen in bunten Kleidungsstücken, vielleicht auch noch Verliebte."

Diese Schere sei im vermeintlich bunten Sommer für manche Menschen besonders schwer auszuhalten. Der Leidensdruck erhöhe sich und die Einsamkeit wirke sich auf die psychische und körperliche Gesundheit aus. Betroffene neigten in diesem Zustand eher zu Depressionen, Angststörungen und Süchten, erklärt Gottschalk.

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist das Thema Einsamkeit auch in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Immer mehr Studien werden veröffentlicht. Am 30. Mai stellte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) das erste Einsamkeitsbarometer vor. Es ist Teil der Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit. Die erhobenen Daten des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP) ermöglichen repräsentative Aussagen zur Einsamkeitsbelastung zwischen 1992 und 2021. Es zeigt unter anderem: Einsamkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem aller Altersgruppen. Sie kann jeden treffen.

"Aufgabe von Kirche ist es, Gemeinschaft zu stiften und zu ermöglichen."

Faktoren, die laut Einsamkeitsbarometer eine große Rolle spielen, sind Gesundheit, Bildung und soziale Beziehungen. Frank Gottschalk bestätigt das: Es seien vor allem alleinerziehende Frauen, von Armut betroffene sowie kranke Menschen, die häufig zum Hörer greifen. Verlorengegangenes Vertrauen in Menschen und Behörden spiele eine große Rolle. Oft hätten Einsame auch Angst vor Ablehnung und mieden deshalb die Gemeinschaft mit anderen, erklärt der Seelsorger.

Dass das Thema deutlicher benannt wird und Einsamkeit kein Makel mehr ist, schätzt Frank Gottschalk an dieser Entwicklung. Jeder Mensch sehne sich nach Annahme und hier komme auch Kirche ins Spiel. "Aufgabe von Kirche ist es, Gemeinschaft zu stiften und zu ermöglichen." Sie könne auf ganz unterschiedliche Art und Weise niedrigschwellig jeden Menschen annehmen. "Dafür müssen Kirchen noch lange Begegnungsstätten sein."