Die Menschen in Israel sind nach der Beobachtung des deutsch-israelischen Historikers und Pädagogen Meron Mendel fast überall im Land stark von der terroristischen Gewalt bedroht. Anders als etwa in der Ukraine, wo man sich auch Hunderte Kilometer von der Front entfernt aufhalten könne, sei man in Israel maximal 40 bis 60 Kilometer von den Kriegsregionen entfernt, sagte der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main dem Evangelischen Pressedienst (epd).
"Egal, wie weit man versucht wegzulaufen, ist der Krieg trotzdem sehr nah", sagte Mendel. Denn Bedrohung komme nicht nur von der Hamas im Gaza-Streifen, sondern im Norden auch von der islamistischen Terrororganisation Hisbollah oder ganz im Süden von den Huthi-Rebellen aus dem Jemen, deren Raketen den Süden des Landes treffen können.
Mendel, der kürzlich zusammen mit einem Kamerateam des ZDF für eine Doku in sein Herkunftsland gereist war, sprach von einem routinierten Ausnahmezustand. Zwar gehe das Leben weiter, aber es gebe eine ganz andere Routine als zuvor. "Kaum ein Mensch lebt dort, der nicht davon betroffen ist", sagte Mendel. In fast jeder Familie gebe es Opfer, Geiseln oder Reservisten. Binnenflüchtlinge, die nach dem 7. Oktober von der Grenze zu Gaza oder aus dem Norden vor den Raketen der Hisbollah geflohen seien, müssten in den Kibbuzim untergebracht werden, ebenso wie Soldaten.
Zugleich spüre er, obwohl Trauer und Trauma nach dem Hamas-Überfall präsent seien, bei den Menschen in seinem Familien- und Freundeskreis eine große Stärke. Es herrsche Fassungslosigkeit und gleichzeitig gebe es den Wunsch nach einer friedlichen Lösung.
Die Diskussion, wie es politisch nach dem Krieg weitergehen könne, müsse allerdings stärker geführt werden, betonte Mendel. Darüber werde noch nicht offen gesprochen. Es sei für ihn aber eine "starke Erfahrung" gewesen, als Hinterbliebene der Opfer und Geiseln des brutalen Terrorangriffs über ihre Hoffnung auf friedliche Lösungen des Konflikts gesprochen hätten.