Das bezeichnete die Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden als "besonders perfide, denn sie greifen ins Herz dessen, was gemeindliches Leben trägt: nämlich ins Vertrauen".
"In diesen Fällen bauen die Täterinnen und Täter ein Verhältnis zu den betroffenen Personen auf, das von Verständnis, Empathie und religiöser Inspiration geprägt ist", erläuterte die leitende Theologin. "Heranwachsenden, die sich auch außerhalb des Elternhauses auf die Suche nach religiöser, sozialer und sexueller Orientierung begeben, bieten sie sich als stärkende und inspirierende Vorbilder an."
In dem Maß, in dem die geistliche Beziehung wachse, suchten die Täterinnen und Täter auch die körperliche Nähe bis hin zu sexuellen Handlungen. Die betroffenen Personen wagten dann oft nicht, die Übergriffe zurückzuweisen, unter anderem aus der Angst heraus, eine wichtige Bezugsperson zu verlieren.
Bei der Wieden bat betroffene Menschen, sich zu melden und Vorkommnisse auch nach vielen Jahren anzuzeigen. Auch in der reformierten Kirche habe es in der Vergangenheit Vorfälle von sexualisierter Gewalt gegenüber Minderjährigen gegeben. Das habe eine Studie ergeben, bei der sämtliche Personalakten der reformierten Kirche von Pfarrern und Pfarrerinnen durchgesehen worden seien, die zwischen 1946 und 2020 beschäftigt gewesen seien.
Die Suche habe Hinweise auf zehn beschuldigte oder verdächtigte Personen und 13 betroffene Personen ergeben, sagte die Kirchenpräsidentin. Es seien aber mit großer Sicherheit nicht alle Fälle sexualisierter Gewalt erfasst worden, denn nicht alle Fälle seien aktenkundig.
Katholischer Priester aus Klerikerstand entlassen
Unterdessen hat das Kirchengericht der Erzdiözese Köln hat einen früheren katholischen Priester aus dem Saarland des sexuellen Missbrauchs an fünf Betroffenen für schuldig befunden. Als Strafe verhängte das Gericht gegen den ehemaligen Pfarrer von Freisen die Entlassung aus dem Klerikerstand, wie das Erzbistum Köln und das Bistum Trier am Donnerstag mitteilten.
Der Geistliche war im Februar dieses Jahres vom Landgericht Saarbrücken wegen sexueller Nötigung eines 14-jährigen Messdieners zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Weitere Verfahren waren wegen Verjährung eingestellt worden.
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann zeigte sich erleichtert über den Abschluss des kirchenrechtlichen Verfahrens nach mehr als fünfeinhalb Jahren. Ihm sei bewusst, dass die lange Prozessdauer für die Betroffenen eine große Belastung gewesen sei, erklärte Ackermann. "Ich hoffe und wünsche den betroffenen Personen, dass sie nun, wo das Gericht den Priester schuldig gesprochen und damit die Aussagen der Betroffenen als glaubhaft erachtet hat, eine Art Abschluss und vielleicht Frieden finden können."
Über die fünf betroffenen Personen hinaus, mit deren Fällen sich das Kirchengericht befasst hatte, erkenne das Bistum Trier auch weitere Personen als Betroffene sexuellen Missbrauchs durch den früheren Pfarrer an, hieß es. Sie könnten, sofern sie das nicht schon getan haben, finanzielle Leistungen in Anerkennung des Leids beantragen. Ackermann sagte, er habe allen Betroffenen ein persönliches Gespräch angeboten. Das Urteil ist den Angaben zufolge noch nicht rechtskräftig, der Priester habe die Möglichkeit, Einspruch einzulegen.