Damit die Diskrepanz zwischen hektischem Stadt- und beschaulichem Landleben noch ein bisschen größer wird, empfindet Laura (Bettina Burchard) ihren Beruf als Pflegekraft als Berufung und kümmert sich mit großer Hingabe um ihre Schutzbefohlenen, aber ihr Smartphone-Wecker ist unerbittlich: Der Zeitplan ist viel zu eng.
Während sie eines Tages völlig erschöpft auf dem Sofa einer Patientin ein Nickerchen macht, fällt die alte Frau von der Leiter. Spätestens jetzt ist klar: So kann es nicht weitergehen. Als die ohnehin unsympathische Chefin ihr dann noch den Urlaub streicht, weil die Pflegeagentur unterbesetzt ist, bucht Laura kurzerhand Ferien auf einem Bauernhof im nahe gelegenen Bergischen Land und lernt dort prompt das Leben von einer ganz anderen Seite kennen, wobei natürlich auch die Liebe im Spiel ist.
Der Titel "Landfrauen – Wir können auch anders!" wird der positiven Stimmung des Films zwar nicht ganz gerecht, ist aber immerhin zutreffend, denn neben Paul (Max Bretschneider), dem schmucken Sohn ihres Gastgebers (Martin Lindow), ist Laura nicht zuletzt von der Solidarität der Dorfbewohnerinnen beeindruckt: Die Frauen sind kein konservatives Kaffeekränzchen, sondern sorgen im Gegenteil dafür, dass sich im Dorf eine Menge bewegt. Außerdem bieten sie mutig dem Bürgermeister die Stirn: Der Mann hat den von Landratsamt bewilligten Zuschuss zur Renovierung des Kindergartens kurzerhand "umgewidmet" und damit die neuen Duschen im Vereinsheim des Fußballclubs bezahlt. Es ist also doch nicht alles in Butter auf dem Land.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das gilt auch für die Beziehung zwischen Laura und Paul: Der designierte Hoferbe ist zwar Feuer und Flamme für die Städterin, aber rasch stellt sich raus, dass es in seinem Leben einige Baustellen gibt; unter anderem wird Laura schließlich klar, warum Katja (Ines Marie Westernströer), die Wortführerin der Landfrauen, ihr im Gegensatz zu den anderen mit unverhohlener Feindseligkeit begegnet. Außerdem ist Paul ein enger Freund des intriganten Bürgermeisters Hartmann (Guido Broscheit) und war als Kassierer des Sportvereins über dessen miese Aktion informiert. Und dann ist da noch die ungeklärte Zukunft des Hofs, der längst nicht mehr rentabel ist, weshalb Paul die Produktion auf Biogemüse umstellen will; Vater Arthur ist davon allerdings alles andere als begeistert. Die einzigen ausgewiesenen Bioflächen der Gegend gehören ausgerechnet Hartmann, der Paul prompt zwingen will, Laura zu bremsen, denn die Städterin ist zur treibenden Kraft bei den Landfrauen geworden.
Es ist zwar nicht recht nachzuvollziehen, warum freitags im "Ersten" regelmäßig ein Bürgermeister zum Schurken erkoren wird, und auch sonst mag sich die Originalität der Handlung in gewissen Grenzen halten, aber davon abgesehen erzählt "Landfrauen" auch dank der schwungvollen Umsetzung (Regie: Britta Keils) eine sehr vergnügliche Geschichte (Buch: Michael Gebhart, Andreas Bradler). Schöne Landschaftsbilder sind auf diesem Sendeplatz selbstredend im Preis inbegriffen, die Musik verbreitet gute Stimmung, Kameramann Florian Licht macht seinem Namen alle Ehre.
Sehenswert ist der Film vor allem wegen des gut zusammengestellten Ensembles. Bettina Burchard versieht Laura mit einer sympathischen natürlichen Herzlichkeit, Max Bretschneider ist ein Bauer zum Verlieben, selbst wenn er sich als Feigling entpuppt, und für Martin Lindow bedeuteten die Dreharbeiten eine Rückkehr an den Schauplatz seines größten Erfolgs: 1996 hat der Westfale für seine Rolle als Sigi Möller in den "Polizeiruf"-Krimis aus dem Bergischen Land gemeinsam mit dem Kollegen Oliver Stritzel für die Episode "1A Landeier" den Grimme-Preis bekommen.
Neben dem zentralen Paar harmonieren auch die Darstellerinnen der Titelheldinnen ausgezeichnet miteinander; Yasmina Djaballah, Maike Johanna Reuter und Nadja Zwanziger bilden ein prima Team, ihre Darbietung des Abba-Hits "Mamma Mia" kann sich in der Tat hören lassen. Den Rest besorgen fröhlich inszenierte Ereignisse wie ein Dorffest zu Beginn, bei dem die von ihren Geschlechtsgenossinnen spöttisch begrüßte Städterin ("Fleisch isst sie nur, wenn’s vegan ist") gleich mal einen Pokal für ihre Treffsicherheit beim Torwandschießen gewinnt, und die erfolgreichen Bemühungen Pauls, der Laura unter anderem mit einem "Sundown-Picknick" umwirbt. Kein Wunder, dass ihr Herz schließlich den Kopf überstimmt. Der Schluss lässt auf eine Fortsetzung hoffen.