TV-Tipp: "Friesland: Abdrift"

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19. April, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Friesland: Abdrift"
Sehenswert ist "Abdrift" neben der Geschichte, deren Auflösung tatsächlich bis zum Schluss offen bleibt, vor allem wegen der Mitwirkenden. Für das "Friesland"-Ensemble gilt das ohnehin, zumal Felix Vörtler diesmal gegen das Image seiner Rolle anspielen darf.

"Der Tod ist mein Leben", stellt der Bestatter nüchtern und sachlich fest. Das heißt aber noch lange nicht, dass der Tod ihn nicht trotzdem aus der Bahn werfen kann: Nach einem kurzen Prolog, in dem das Thema dieses "Friesland"-Films angedeutet wird, beginnt die eigentliche Handlung mit einem Schockerlebnis für den nur vermeintlich hartgesottenen Beerdigungsunternehmer: Wolfgang Habedank (Holger Stockhaus) hat mit dem Tauchen ohne Sauerstoff ein neues Hobby gefunden.

In der Badewanne hat ein Apnoe-Versuch schon mal gut geklappt, nun macht er die Probe aufs Exempel und taucht unter den wachsamen Augen von Streifenpolizist Henk Cassens (Maxim Mehmet) in der Ems. Und wie das so ist im Krimi: Prompt entdeckt er eine Leiche. Später wird ihm Apothekerin Harms (Tina Pfurr) erklären, warum dieses Erlebnis derart traumatisch war: Im Alltag wirkt Berufskleidung, in seinem Fall der Anzug, in ihrem der weiße Kittel, wie eine Rüstung, an der alles abprallt; beim Tauchen jedoch war Habedank ganz und gar Privatperson. 

Diese Ebene des Drehbuchs von Oliver Welter ist schon mal ziemlich interessant. Für die Krimiebene gilt das nicht minder, denn selbstredend ist der Tote aus der Ems keines natürlichen Todes gestorben. In seiner Lunge findet sich allerdings Meerwasser, wenn auch mit geringerem Salzgehalt; das ist typisch für Flussmündungen. Da die Leiche ja schlecht flussaufwärts getrieben sein kann, hat sich also offenbar jemand die Mühe gemacht, diesen Anschein zu erwecken. Aber warum?

Immerhin hat der Tote seinen Ausweis dabei, sodass sich rasch rausstellt, womit Lars Schäfer zu Lebzeiten seine Brötchen verdient hat: Er war Professor an der wahlweise als "Schnösel-" oder "Bonzen-Uni" bezeichneten privaten Hochschule Ozeano und hat dort die Grundlagen der Ozeanografie vermittelt. Die Uni-Leiterin (Julika Jenkins) beschreibt ihn als beliebten sowie fachlich wie auch pädagogisch vorbildlichen Dozenten, der zudem ein Idealist gewesen sei. Feinde hatte er keine, sieht man davon ab, dass ihn seine Frau jüngst wegen einer Affäre vor die Tür gesetzt hat. Warum musste er also sterben?

Nun bringt Welter in seiner ersten Arbeit für die Reihe einen ungewöhnlichen technischen Aspekt ins Spiel. Bereits im Prolog sagt Werftbesitzer Nittum (Max Herbrechter), nur ein nachhaltiger Ansatz könne die Schifffahrt in die Zukunft bringen. Tatsächlich hat Schäfer gemeinsam mit seinem norwegischen Kollegen Halvorsen (Erik Madsen) eine Technologie entwickelt, die laut Nittum nicht weniger als eine Revolution darstellt, weil sie auch feinste Partikel aus den Schiffsabgasen filtert. Seit dem Tod des Professors weisen die Versuchsreihen jedoch eine Anomalie auf; die Revolution müsste also sehr zum Unwillen von Nittum und seiner Frau vertagt werden.

Wie sich das für Krimis dieser Art gehört, spielt auch Familie ohnehin eine große Rolle, genauer gesagt: die beiden Töchter der Nittums. Während Schäfers Frau (Tabea Bettin) im Großen und Ganzen die Erwartungen ihrer Eltern erfüllt, allerdings den falschen Mann geheiratet hat, gilt ihre Schwester (Klara Deutschmann) als schwarzes Schaf. Corinna Kirchhoff muss mittlerweile zwar regelmäßig Mütter verkörpern, denen es die Töchter nicht recht machen können (unter anderem in der ARD-Freitagsreihe "Die Eifelpraxis" und in den ZDF-Krimis "Sarah Kohr"), spielt das aber auch immer wieder unangenehm gut. 

Astrid Schult, gerade für ihre dokumentarischen Arbeiten mehrfach ausgezeichnet, hat fürs ZDF bislang einige Serienfolgen inszeniert und als Regisseurin für "Aktenzeichen XY" gearbeitet; "Abdrift" (Episode Nummer 22) ist ihr erster Reihenkrimi. Die Umsetzung ist zwar nicht weiter auffällig, aber im besten Sinne gutes Handwerk. Sehenswert ist "Abdrift" neben der Geschichte, deren Auflösung tatsächlich bis zum Schluss offen bleibt, vor allem wegen der Mitwirkenden. Für das "Friesland"-Ensemble gilt das ohnehin, zumal Felix Vörtler diesmal gegen das Image seiner Rolle anspielen darf.

Brockhorst, der notorisch unleidliche Vorgesetzte von Cassens und seiner Partnerin Süher (Sophie Dal), ist auf einmal in der Lage, "bitte" und "danke" zu sagen. IT-Technikerin Kim (Veronique Coubard) weiß, warum: Der Chef hat eigentlich Urlaub, kann aber nicht loslassen, weil die Arbeit sein Leben ist. Dass sie ihm zur Entspannung die Beobachtung von Vögeln empfiehlt, hat einige witzige Momente zur Folge. Vielschichtig ist auch die Gastrolle von Erik Madsen. Der gebürtige Norweger mit dem markanten Schädel lebt eigentlich in London, ist aber regelmäßig in hiesigen Produktionen zu sehen, zumal er ausgezeichnet deutsch spricht.