Begleitet von Kritik hat der Kölner Weihbischof Rolf Steinhäuser einen sogenannten Bußgottesdienst für Opfer sexualisierter Gewalt durch Geistliche abgehalten. „Von Priestern und weiteren kirchlichen Mitarbeitern unseres Bistums ist eine große Zahl von Verbrechen sexualisierter Gewalt an Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen verübt worden“, sagte der Apostolische Administrator des Erzbistums am Donnerstag im Kölner Dom. Angehörige katholischer Reformgruppen und einige der Betroffenen kritisierten den Gottesdienst als einseitige Aufarbeitung.
Steinhäuser, der den Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki während dessen Auszeit vertritt, beschrieb seine Rolle als „Chef der Täterorganisation Erzbistum Köln“. Er bekannte, er habe lange Zeit an Einzelfälle geglaubt und die Tatsachen nicht wahrhaben wollen. „Ich habe versucht, diese Kirche zu schützen. Ich habe die Betroffenen nicht im Blick gehabt. Das ist mein Versagen und meine Sünde“, erklärte er.
Die katholische Laienbewegung „Wir sind Kirche“ kritisierte den „Bußgottesdienst“ als „erneutes kommunikatives Versagen“, das viele Betroffene ausgeschlossen und vor den Kopf gestoßen habe. Ein Bußgottesdienst könne Sinn machen, „wenn den frommen Worten ebenso ernsthafte Taten vorausgegangen sind oder folgen würden“. Das sei aber nicht der Fall. „Dieser Bußgottesdienst spaltet statt zu versöhnen“, erklärte die Organisation. Er missbrauche einen Betroffenenbeirat, aus dem die kritischen Mitglieder lange ausgetreten seien.
Der Sprecher des Betroffenenbeirats, Peter Bringmann-Henselder, erklärte hingegen: „Es war uns wichtig, dass die Folgen des sexuellen Missbrauchs für Betroffene sichtbar werden. Die auf sich geladene Schuld von Verantwortlichen und Tätern musste deutlich zur Sprache kommen.“ Deshalb habe der Beirat sich an der Gestaltung des Gottesdienstes beteiligt. Das klare Bekenntnis der Schuld könne auch als ein Zeichen an die vielen Ordensgemeinschaften gesehen werden, sich ihrer Verantwortung ebenfalls zu stellen. „Denn leider ist von diesen Institutionen die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs bisher kaum in Angriff genommen worden“, sagte Bringmann-Henselder.
Die Diskussion über die Verantwortung der Kirche sei mit dem „Bußgottesdienst“ keineswegs beendet, betonte Steinhäuser. Sexuelle Gewalt gebe es auch heute.
Mit dem Gottesdienst wollte das Bistum ein liturgisches Zeichen setzen. Dafür wurde der „Europäische Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch“, der seit 2015 am 18. November begangen wird, gewählt. Zugelassen waren nur 230 geladene Gäste, um einen geschützten Rahmen für die Betroffenen zu schaffen. Im Gottesdienst wurden die Vornamen von Betroffenen verlesen und zum Gedenken für jeden von ihnen eine Kerze aufgestellt.
Der Gottesdienst als Form der Aufarbeitung war schon zuvor umstritten. Ein Teil der Betroffenen lehnte eine Teilnahme ab, weil sie eine Instrumentalisierung und eine Re-Traumatisierung fürchteten. Nicht die Opfer, sondern die Täter hätten die Pflicht, Buße zu leisten, hatte Patrick Bauer, früherer Sprecher des Betroffenenbeirats, im Vorfeld erklärt. Die katholische Reformgruppe „Maria 2.0“ demonstrierte mit Plakaten vor dem Dom.