In der am Mittwoch erschienen Sendung empfiehlt Poschardt der evangelischen Kirche angesichts des Mitgliederschwunds die Stärkung ihrer spirituellen Angebote. Dort sei "ein riesiger Markt", sagte er. Die Menschen sehnten sich nach Orientierung. "Aber da bieten die Kirchen nichts an. Stattdessen reproduzieren sie mediale linksliberale oder vermeintlich liberale ökologische Klischees", kritisierte der 53-Jährige.
Die Kanzel sei kein Ort für Parteitagsreden. Zwar sei das kirchliche Engagement für die Schwächsten der Schwachen lobenswert, sagte der Protestant Poschardt mit Bezug auf das Engagement der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für die zivile Seenotrettung auf dem Mittelmeer. Doch endeten die Probleme "ja nicht in dem Moment, wo man die Leute auf so ein Schiff geholt hat". Sondern es stellten sich "sehr vertrackte Fragen nach der Pull-Funktion solcher Rettungsaktionen".
Zudem warf er der EKD vor, die Frage auszublenden, ob es sich um Flüchtlinge im klassischen Sinne handele. "Oder haben wir da einfach sozusagen eine Migrationsbewegung, die eigentlich nicht von unserem Asylrecht gedeckt ist?", fragte Poschardt: "Was heißt das für unsere Freunde in der europäischen Gemeinschaft, in Italien, die das nicht haben wollen und denen wir als deutsche Kirche sozusagen unseren moralischen Kurs aufdrücken?"
"Mir geht das unterkomplex Politische da auf den Wecker", sagte der Journalist aus dem Springer-Verlag: "Man macht es sich halt ganz einfach."
Der "Welt"-Chefredakteur ist in enger Verbundenheit mit der Kirche aufgewachsen. Sein Vater war Methodistenprediger. An einer von Jesuiten getragenen Hochschule studierte Ulf Poschardt Philosophie. 2017 hatte er an Weihnachten mit einer bei Twitter verbreiteten Kritik an einer Predigt eine scharfe Debatte über eine politische Nähe insbesondere der evangelischen Kirche zu SPD und Grünen angestoßen.