Wenn man die seemännische "Länge über alles" betrachtet, misst es gerade mal 32 Zentimeter - und ist doch Deutschlands bekannteste Spendenbüchse: Das Sammelschiffchen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) ist in ganz Deutschland und darüber hinaus präsent. Rund 13.000 der kultigen Sammeldosen sind im Einsatz - auf den Theken vieler Gaststätten genauso wie in Apotheken, Arztpraxen, Museen und anderen öffentlich zugänglichen Orten. Sogar auf der Zugspitze und tief unter der Erde in einem Besucherbergwerk liegen Schiffchen "vor Anker".
In einem Protokoll der Seenotretter vom 29. Mai 1875 finden sich die ersten Hinweise auf das Sammelschiffchen, das mittlerweile auch per QR-Code digital und bargeldlos befüllt werden kann. Dort heißt es, der Vorstand wolle "Placate in gefälliger Ausstattung anfertigen lassen und den Bezirksvereinen und Vertreterschaften auf Verlangen zur Verfügung stellen, welche an geeigneten öffentlichen Orten mit Sammelbüchsen aufzuhängen sind".
Schon im nächsten Bericht ist zu lesen: "Diese Sammelbüchsen in der Form kleiner geschmackvoller Böte sind nach allen Theilen Deutschlands versandt; 1.240 Stück sind bis jetzt abgegangen." Nachempfunden sind sie laut DGzRS-Sprecher Christian Stipeldey den Ruderrettungsbooten, mit denen sich die Besatzungen der Gesellschaft in den ersten Jahrzehnten mutig in die oft stürmische See geworfen haben, um Menschen zu retten.
Bis heute ist das Schiffchen eine wichtige Einnahmequelle für die DGzRS. Jährlich kommen Stipeldey zufolge über die "kleinste Bootsklasse", wie die Spendenbox bei der Gesellschaft mit ihrer Zentrale in Bremen liebevoll genannt wird, bis zu eine Million Euro zusammen. Und nicht nur das: Die Schiffchen, die früher aus Holz, dann aus Metall und heute aus Kunststoff gefertigt wurden, sind längst auch zum Symbol für die Unabhängigkeit und Freiwilligkeit der Seenotretter geworden.
Ein ordentlicher Beitrag also für die ausschließlich aus Spendengeldern finanzierte Organisation. So helfen die Minischiffchen den großen Rettungsbooten und -kreuzern, von denen die DGzRS auf Nord- und Ostsee 60 in Fahrt hat.
Im vergangenen Jahr waren sie eigenen Angaben zufolge in knapp 2.000 Einsätzen auf der Nord- und Ostsee unterwegs, um mehr als 3.500 Menschen zu helfen. Es ist eine Flotte, die ständig modernisiert werden muss. Ohne die Spenden, von denen im vergangenen Jahr laut DGzRS-Bilanz insgesamt knapp 68 Millionen Euro zusammenkamen, würde das nicht funktionieren.
Etwa 180 Festangestellte und rund 800 Freiwillige engagieren sich bei jedem Wetter und rund um die Uhr für das Rettungswerk, "fahren raus, wenn andere reinkommen", wie der Slogan der Gesellschaft mit ihren 55 Stationen an Nord- und Ostsee heißt. So wurden seit der Gründung am 29. Mai 1865 in Kiel etwa 87.000 Menschen gerettet - ungefähr so viele wie die hessische Stadt Gießen Einwohner hat. Schirmherr des Rettungswerkes ist traditionell der Bundespräsident.
So hob Richard von Weizsäcker 1985 bei der Taufe des Seenotrettungskreuzers "Berlin" hervor, die DGzRS sei eine Verbindung von Bürgersinn und Bürgermut: "Der Bürgersinn, der die Menschen zusammenbringt, um völlig frei von staatlicher Unterstützung selbst die Mittel aufzubringen, die zur Erreichung des Gesellschaftszweckes erforderlich sind, und der Bürgermut derer, die auf den Schiffen Tag und Nacht ihren Dienst tun, um Menschen zu helfen." Damit das auch in Zukunft geschehen kann, will die DGzRS ihre Sammelschiffchen weiterhin einsetzen. Frei nach dem Motto "das Kleine hilft den Großen".