Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig hat innerkirchliche Kritik an Kirchenschließungen und dem Verzicht auf Gottesdienste in der Corona-Krise zurückgewiesen. Zwar stelle das temporäre Verbot, sich zu Gottesdiensten zu versammeln, einen "besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff" dar, legte der Professor für Öffentliches Recht und Kirchenrecht an der Universität Göttingen in einem Beitrag für das Magazin "Zeitzeichen" dar.
Ohne die massive Intervention in das öffentliche Leben würden aber angesichts der exponentiellen Ausbreitung des Virus das Gesundheitssystem in kürzester Zeit zusammenbrechen und Hunderttausende Menschen sterben, so Heinig.
Für die Kirche sei es daher ebenso schmerzhaft wie richtig, zum Schutz des Gemeinwesens für einige Wochen auf gottesdienstliche und andere kirchliche Versammlungen zu verzichten. Das "Lamentieren einiger kirchlicher Kreise über den zeitweisen Verzicht auf Gottesdienste" erscheine "bemerkenswert selbstsüchtig und kurzsichtig", kritisierte der Jurist, der auch Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.
Meister: Schließung unausweichlich
Auch der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hält die Schließung von Kirchengebäuden während der Corona-Pandemie für unausweichlich. Im Falle einer Öffnung bräuchten die Kirchen viel Personal, um alle Schutzmaßnahmen gewährleisten zu können, sagte der evangelische Theologe der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" (Samstag).
Bei einer Dorfkirche kämen vielleicht 50 oder 60 Gläubige an einem Tag, aber wenn die die Marktkirche in Hannover wieder öffnen würde, wären es einige hundert: "Da ist es schwer, die notwendigen Standards zu gewährleisten", sagte Meister. Zugleich räumte er ein, die Schließung der Kirchen verursache bei ihm "einen ungeheuren Schmerz".
Gottesdienste im Internet und Rundfunk
Der Kirchenrechtler Heinig wies darauf hin, dass staatliche Gebote und Verbote verhältnismäßig ausfallen müssten. "Prüfposten für die verfassungsrechtliche Angemessenheit gegenwärtiger infektionsrechtlicher Interventionen muss die drohende Lage bei ungehindertem Infektionsverlauf sein", so der Rechtsprofessor. "Social distancing" sei derzeit angesichts der Corona-Pandemie "die einzig sinnvolle Public- health-Strategie".
Auch an Ostern können die Menschen in Deutschland zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte keine Gottesdienste in Kirchen feiern. Diese werden bundesweit nur ohne Gemeinde stattfinden. Die Landeskirchen und Bistümer werden aber fast alle Osterfeiern live im Internet oder im Rundfunk übertragen, wie eine Umfrage des
Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den 20 evangelischen Landeskirchen und 27 katholischen Bistümern in Deutschland ergab.