"Es wird natürlich weiterhin die Tirschenreuther Passion sein", sagt Johannes Reitmeier. Der Intendant des Tiroler Landestheaters Innsbruck und Regisseur der Europassion Tirschenreuth will die Neuinszenierung aber frischer und moderner gestalten. "Die neue Tirschenreuther Passion beleuchtet das historische Geschehen mit einem zeitgenössischen Blick, insbesondere in Bezug auf die Figur des Judas und die überlieferte Rolle der Frauen in der Jesus-Bewegung", sagt er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Damit präsentiere sie sich im Kontext anderer wichtiger Passionsspiele auf der Höhe der Zeit.
Die Europassion Tirschenreuth wurde erstmals im Jahre 1997 aufgeführt. Einem fünfjährigen Turnus folgend kommt das Stück 2020 erneut auf die Bühne. Buch, Inszenierung und ein beeindruckendes Bühnenbild stammen vom Innsbrucker Intendanten. Mit dem ersten Probenblock zeigt sich Reitmeier zufrieden.
Die gut 80 Mitwirkenden in ihre Rollen eingeführt hat Stefan Tilch, Intendant des Landestheaters Niederbayern. Er führt Co-Regie. Keine leichte Aufgabe. Denn die Darsteller müssen sich in die Zeit der Entstehungsgeschichte des christlichen Glaubens versetzen. Sie mimen auf einer westlichen Bühne im Jahr 2020 Männer und Frauen aus einem Jerusalem von vor über 2000 Jahren.
Nur Jesus und die Jünger sprechen Hochdeutsch
Der erste Probenblock ist geschafft. Zwar ist der Großteil der Schauspieler seit der ersten Passion im Jahr 1997 dabei. Dennoch erleben die "alten Hasen" die Inszenierung in vielen Bereichen neu. Ein in den Zuschauerraum ragender mächtiger Kunstfelsen als Kulisse verlangt Konzentration beim Begehen, was den Spielfluss nicht beeinflussen darf. Die Gäste werden erstmals von einer Tribüne aus zuschauen, und es werden besondere Ehrengäste erwartet.
Was Reitmeier in Absprache mit der Stadt Tirschenreuth als Produzentin, die eine Neuinszenierung wünschte, beibehielt, ist die Oberpfälzer Mundart als Bühnensprache. Diese Besonderheit setzt Tirschenreuth von anderen Passionsspielen deutlich ab. Nur Jesus und die Evangelisten werden Hochdeutsch sprechen.
Einen geänderten Part nimmt die Rolle des Judas ein. Gespielt von Bernhard Neumann aus Wiesau, werde der neue Judas das Menschliche im Menschen verkörpern. Neumann, 45 Jahre alt und Bühnenbauer in Regensburg, hat sich intensiv damit auseinandergesetzt, unter anderem mit viel Literatur. "Ich versuche, mir ein Bild über die damalige Zeit zu machen und zu verstehen, warum die Menschen Jesus gefolgt sind", sagt Neumann. Sein Anspruch: Er wolle herausfinden, was Judas' Träume, Wünsche, Ängste und Sorgen gewesen seien, um ihn zu verstehen. Judas, sagt er, sei nicht in erster Linie ein böser Mensch gewesen. Er sei einer von vielen, der von den damaligen politischen wie kulturellen Ereignissen getrieben worden sei. "Ich hoffe, dass es mir gelingt, Judas in ein facettenreicheres Licht zu tauchen", so Neumann.
Zwei Neulinge in den Hauptrollen
Ebenso wie Neumann ist auch Julian Mühlmeier neu im Ensemble. Der 26-Jährige aus Tirschenreuth fühlt sich geehrt, dass ihm die Rolle des Jesus angetragen wurde. "Ich wollte immer bei der Passion mitwirken. Dass es gleich Jesus sein wird, damit habe ich nicht gerechnet", sagt er. Für Julian Mühlmeier, der wie Neumann viel Bühnenerfahrung mitbringt, ist die Rolle Herausforderung wie Verantwortung. Er sieht Jesus als einen kritischen Rebell seiner Zeit, der die wesentlichen Werte im menschlichen Leben wie Toleranz, Gerechtigkeit und Menschenliebe neu definieren wollte.
Mühlmeier reiste sogar nach Jerusalem und Palästina, um Jesus an seinen Wirkungsorten näher zu sein. "Jesus hat die Welt wie nur wenig andere maßgeblich beeinflusst. Er ist Beispiel für unser Tun und legte die Grundpfeiler, mit welchen wir uns bis heute identifizieren", so Mühlmeier. Er hoffe sehr, dass er der Verantwortung gerecht werde, Jesus als Mensch wie als Sohn Gottes gleichermaßen darstellen zu können. Was die beiden gläubigen Männer jetzt bereits bestätigen können: Ihre Rollen in der Europassion Tirschenreuth hätten ihr Leben längst beeinflusst und würden es auch nachhaltig prägen.
Mit der zweiten Probenstaffel geht es im Februar weiter - unter Regie von Johannes Reitmeier, der dem Ensemble den finalen Feinschliff geben wird. Währenddessen laufen die Vorbereitungen für die Premiere am 27. März auf Hochtouren. Die Hälfte der 3000 Tickets sein bereits verkauft, sagt Mirko Streich von der Stadtverwaltung. Die Neue Tirschenreuther Passion 2020 wird bis zur Premiere im März Hauptthema im Rathaus bleiben.