Vielleser, Vielredner, Vielschreiber - dieses Etikett heftete ein Missionarskollege Johannes Zimmermann an. Der Bauernsohn aus Gerlingen bei Stuttgart, der am 2. März vor 200 Jahren geboren wurde, lag in einigen Fragen quer zur Basler Mission, die ihn an die afrikanische Goldküste im heutigen Ghana ausgesandt hatte. Für die Erforschung der Ga-Sprache leistete er Pionierarbeit. Heftige Bauchschmerzen bereitete er seiner Missionsleitung aber durch die Heirat einer schwarzen Frau.
Zimmermann kommt durch die pietistischen Gemeinschaftsstunden in Gerlingen und die kleine, fromme Bibliothek seines Großvaters früh mit dem Missionsgedanken in Berührung. Nach einer Bäckerlehre bewirbt er sich um Aufnahme im Basler Missionshaus, erhält aber aufgrund seines jungen Alters erst einmal eine Abfuhr. Der zweite Versuch 1844 klappt dann, und fünf Jahre später wird er in der Kirche in Herrenberg bei Böblingen ordiniert.
In Christiansborg an der Goldküste zieht sich der schwäbische Missionar schon bald die Ruhr zu. Mithilfe eines afrikanischen Heilers bekommt er die Krankheit zunächst in den Griff, doch wird er sein Leben unter den Folgen der Infektion leiden. Unverdrossen arbeitet er sich in die Kultur ein und lernt die Landessprache Ga. Schockierend dann seine Brautwahl: Catherina Mulgrave ist nicht nur eine Frau dunkler Hautfarbe, sondern zudem geschieden und Alleinerziehende mit zwei Kindern. Als ehemalige Sklavin aus Westafrika ist sie durch den Untergang ihres Schiffes vor Jamaika freigekommen und von einem englischen Gouverneur in die Familie aufgenommen worden.
Später kehrt sie nach Afrika zurück. Zimmermann holt sich gar nicht erst die Erlaubnis in der Missionszentrale ein, er verkündet schlicht seine Heiratspläne. "Wenn Sie glauben, mich entlassen zu müssen, so behalten Sie mich und meine Braut in liebendem Andenken", schreibt er nach Basel. Die Kündigung scheint unausweichlich, doch machen sich einige Missionarsbrüder für ihn stark. Schließlich drücken die Verantwortlichen alle Augen zu. Zimmermann macht sich in den Folgejahren mehr zum Afrikaner - durch die Wahl seiner Kleider und durch das Bewohnen eines Hauses im Stil der Einheimischen mitten in der Siedlung. Die Freundschaft mit einem regionalen König hilft ihm sehr, die Mission auszubauen.
Gesangbuch mit 500 Liedern in Ga-Sprache
Interessanterweise stellt sich der schwäbische Missionar 1862 gegen die von der Missionsleitung geplante Freilassung aller christlichen Haussklaven. "Der Sklave isst mit seinem Meister und dessen Sohn aus einer Schüssel, arbeitet mit ihm und kann Eigentum erwerben", argumentiert er. Im Vergleich zum europäischen Proletariat gehe es den Sklaven in Afrika deutlich besser. Gerade für Menschen ohne Familie erfülle das "Sklavenband" eine wichtige Schutzfunktion. Laut dem Forscher Imanuel Stutzmann hat Zimmermann mit seiner Übersetzungsarbeit Gewaltiges geleistet.
Der Missionar bringt die Bibel, eine Weltgeschichte, das "Württembergische Konfirmationsbüchlein", ein Gesangbuch mit 500 Liedern (davon 250 von ihm selbst) und weitere Schriften in der Ga-Sprache heraus. Auch eine Grammatik und ein Wörterbuch stammen aus seiner Feder. Zudem startet er mehrere Versuche, fruchtbare Böden im Landesinneren für den Ackerbau zu nutzen. Sein Ziel ist es, eine christliche Siedlung nach dem Vorbild von Korntal bei Stuttgart zu gründen. Entkräftet muss er im August 1876 die Heimreise nach Gerlingen antreten, wo er im Dezember stirbt.
Heutiger Dekan ist Namensvetter
Seine letzten Worte lauten nach Erinnerung seines Bruders: "Lebenswasser! O, wie will ich trinken!" Zimmermanns Witwe hat ihn begleitet, kehrt dann aber ins afrikanische Christiansborg zurück; 14 Jahre später stirbt auch sie. In Gerlingen erinnern eine Johannes-Zimmermann-Straße sowie ein Gedenkstein vor der Kirche an den leidenschaftlichen Missionar. An diesem Sonntag (2. März) feiert die Kirchengemeinde den 200. Geburtstag des Mannes. Im Gottesdienst wird der zuständige Dekan des Kirchenbezirks Vaihingen-Ditzingen predigen.
Die Besonderheit: Der seit zwei Jahren amtierende Dekan trägt exakt denselben Namen wie das historische Geburtstagskind, Johannes Zimmermann. Verwandt ist er mit dem Missionar nicht, bewundert aber im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) dessen Engagement für Bildung und die sprachlichen Pionierleistungen. Die Hochzeit mit einer schwarzen Frau habe letztlich Zimmermanns Liebe für Afrika persönlich festgemacht, findet der Dekan. Unter anderem darüber will er im Gedenkgottesdienst sprechen.