Viele fühlten sich einsam und hätten regelrecht Angst vor dem Familienfest Weihnachten und den arbeitsfreien Tagen. "Die Welt ruht und kuschelt, scheinbar haben sich alle lieb. Aber diese Menschen haben niemanden."
Fragen nach dem Sinn des Lebens
Die Chat-Seelsorge zeige ein Bild der Einsamkeit in allen Gesellschaftsschichten und bei Menschen jeden Alters, sagte Krabbes. "Unsere Grundklientel sind Frauen zwischen 20 und 40 Jahren." In vielen Chats gehe es darum, wie sie einen Partner finden und sich binden könnten. Aber auch Probleme in der Familie und im Beruf sowie Fragen nach dem Sinn des Lebens nähmen einen großen Raum ein.
"Wir haben Studierende und junge Ärztinnen, die haben Examen gemacht, promoviert und alles auf die Karriere gesetzt", berichtete Krabbes. "Die sitzen jetzt abends zu Hause fragen sich: Ist das wirklich mein Leben?" Auch viele Krankenschwestern und Altenpflegerinnen meldeten sich im Chat und berichteten von Krisen in ihrem Beruf: "Es gibt in der Pflege offenbar immer mehr Arbeit für immer weniger Menschen." Zudem beschäftige der Umgang mit Tod und Trauer viele Chat-Teilnehmer.
Das Schreiben hilft
"Die Versingelung des Lebens ist dramatisch fortgeschritten", bilanzierte der Pastor. Er könne gut nachvollziehen, dass Großbritannien bereits ein eigenes Ministerium für den Kampf gegen die Einsamkeit geschaffen habe. Laut Krabbes hat es bereits einen heilsamen Effekt, wenn ein Problem im Chat auf dem Bildschirm schriftlich ausgedrückt wird. "In dem Moment, wo es geschrieben ist, fängt es schon an, sich zu lösen und sich aufzuklären."
Die Chat-Seelsorge besteht seit 15 Jahren und wird von den evangelischen Landeskirchen Hannover und Rheinland organisiert. Unter www.chatseelsorge.de steht Ratsuchenden jeweils montags und mittwochs von 20 bis 22 Uhr ein Team von insgesamt mehr als 20 Pastoren, Diakonen und Pädagogen zur Verfügung. Die Teilnehmer der Chat-Runden bleiben durch "Nicknamen" anonym. Die nebenamtlichen Seelsorger geben sich dagegen mit Namen und Bild zu erkennen, jeweils drei pro Sitzung.
Pro Jahr kommen rund 3.500 Nutzer in die Chat-Runden. Viele Besucher kämen immer wieder und seien den Moderatoren und Seelsorgern gut bekannt, sagte Krabbes. Auf Wunsch können Nutzer auch einzeln in einem geschützten Bereich mit einem Seelsorger chatten. In manchen Fällen legten die Seelsorger den Nutzern nahe, sich an einen Therapeuten zu wenden.