Macron will neues Kapitel in Europa aufschlagen

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
© Gregor Fischer/dpa
Macron lobte bei seiner Ansprache im Bundestag, Deutschland und Frankreich hätten nach 1945 gemeinsam die Kraft und Weitsicht zur Aussöhnung gefunden.
Macron will neues Kapitel in Europa aufschlagen
Zentrale Gedenkstunde zum Volkstrauertag im Plenarsaal des Bundestages
Mit einer zentralen Gedenkstunde im Plenarsaal des Bundestages ist am Volkstrauertag der Toten von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht worden. In seiner Gedenkrede warb der französische Staatspräsident Emmanuel Macron 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges leidenschaftlich für eine Weiterentwicklung der europäischen Integration.

In einer Welt großer Herausforderungen sei die wahre Stärke die Einheit. Dafür brauche es mehr europäische Souveränität, sagte Macron am Sonntag in Berlin. Veranstaltet wurde die Gedenkstunde zum Volkstrauertag vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Im Mittelpunkt stand in diesem Jahr das Schicksal im Ersten Weltkrieg gefallener Fußballer; Schüler aus Deutschland, Frankreich, Belgien und Großbritannien erinnerten an einzelne Schicksale. Das Totengedenken sprach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. 

Macron lobte, Deutschland und Frankreich hätten nach 1945 gemeinsam die Kraft und Weitsicht zur Aussöhnung gefunden. Dies habe zu nunmehr 70 Jahren Frieden auf dem europäischen Kontinent geführt, nachdem beide Länder über 200 Jahre Ausgangspunkt großer Konflikte gewesen seien. Kein Volk habe seine Historie so aufrichtig aufgearbeitet und Lehren aus der Vergangenheit gezogen wie Deutschland, lobte er. 

Migration als neue Herausforderung

Macron schlug den Bogen in die Gegenwart, indem er appellierte: "Heute müssen wir zusammen den Mut finden, ein neues Kapitel aufzuschlagen." Dies sei man Europa und all denen schuldig, die in den zurückliegenden 70 Jahren am europäischen Gedanken gearbeitet haben. Als Beispiele heutiger Herausforderungen benannte er etwa den Klimawandel oder die Migration. Dafür sei aber die Europäische Union nicht konzipiert worden. Diese tue sich teils schwer mit den neuen Herausforderungen. "Wir müssen unsere Tabus und Denkverbote überwinden", mahnte Macron.

An der Gedenkstunde im Bundestagsgebäude nahmen auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) sowie der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, teil. Macron erhielt für seine Rede langen Beifall. Der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., Wolfgang Schneiderhan, mahnte in seiner Ansprache, den nun schon 73 Jahre andauernden Frieden in Europa zu erhalten. Der frühere Bundeswehr-General erinnerte an die 17 Millionen Toten bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918. Und doch sei es erst nach dem Zweiten Weltkrieg zur Versöhnung etwa mit Frankreich und Polen gekommen. 



"Versöhnung heißt nicht Vergessen", unterstrich Schneiderhan. Es beinhalte vielmehr auch, die eigene Schuld anzuerkennen und das Leid Anderer zu erkennen. Einer aufkommenden Verharmlosung und Relativierung der dunklen Stunden der Vergangenheit müsse sich "mit entschlossenem Nachdruck" entgegengestellt werden. Die Ursprünge des Volkstrauertages reichen bis in das Jahr 1922 zurück, 1952 wurde er auf Anregung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in der Bundesrepublik Deutschland wieder eingeführt. Der nationale Gedenktag findet jeweils zwei Sonntage vor dem ersten Advent statt. Zahlreiche Veranstaltungen sollen zur Versöhnung und Völkerverständigung beitragen und rufen zu Toleranz und Frieden auf. Gedenkveranstaltungen und Kranzniederlegungen fanden am Sonntag etwa auch in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam und in Magdeburg in Sachsen-Anhalt statt. 

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) appellierte bei einer Feier in der Frankfurter Paulskirche, entschieden gegen Nationalismus und Populismus anzugehen. "Gerade in Zeiten, in denen nationalistische Tendenzen zunehmen und Populisten den gesellschaftlichen Frieden bedrohen, ist es entscheidender denn je, solchen unseligen Geisteshaltungen entgegenzutreten", sagte er. Protestanten aus der Pfalz, dem Elsass und aus Lothringen erinnerten  bei einem Gottesdienst in Bad Bergzabern an das Ende der Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren und bekräftigten den Weg deutsch-französischer Versöhnung.