"Indem europäische Regierungen Seenotrettungseinsätze von Schiffen wie 'Sea-Watch' im Mittelmeer verhindern, erzwingen sie gewissermaßen eine unterlassene Hilfeleistung", sagt Manfred Rekowski weiter. Er besucht Anfang der kommenden Woche das Rettungsschiff "Sea-Watch 3" im Hafen der maltesischen Hauptstadt Valletta, das dort von den Behörden festgesetzt wurde. Er wolle sich von der Crew und den auf dem Schiff mitarbeitenden Freiwilligen von ihren Erfahrungen bei der Rettung von Flüchtlingen berichten lassen, sagte der leitende Geistliche der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Mit Nachdruck wies Rekowski Vorwürfe zurück, die private Seenotrettung spiele kriminellen Schleusern in die Hände. "Ich bin empört, wie seit einiger Zeit humanitäre Einsätze geradezu kriminalisiert werden", sagte der 60-jährige Theologe. "Soll man die in Seenot geratenen Flüchtlinge denn wissentlich ertrinken lassen?" Die Menschen würden durch Menschenrechtsverletzungen, Bürgerkriege, Hunger und Armut in die Flucht getrieben. "Viele der Geflüchteten hoffen, dass sie andernorts etwas Besseres als den Tod finden könnten."
Präses Rekowski rügt verbale Entgleisungen von Politikern
Der EU müsse mehr einfallen als "Abschottung pur", forderte Rekowski. "Es bedarf eines Masterplans zur Bekämpfung von Fluchtursachen, der den Namen verdient." Es gebe zudem keine Alternative zu einer europäischen Flüchtlingspolitik, die die mit der Aufnahme von Flüchtlingen verbundenen Lasten solidarisch trägt. "Ergänzend sollte es nationale Einwanderungs- und Zuwanderungsgesetze gegeben", sagte der EKD-Experte.
Scharfe Kritik äußerte Rekowski an "manchen Entgleisungen" von Politikern, die er jedoch nicht namentlich nannte. Er erwarte von verantwortlichen Politikern, "dass in ihren Äußerungen stets der Grundton der Menschlichkeit wahrgenommen werden kann", sagte er. Nötig sei ein rationaler Umgang mit den Fragen von Flucht und Migration, "bei dem deutlich wird, dass wir vor großen Herausforderungen stehen, aber keinesfalls von übergroßen Zahlen überrollt werden".
Mehrere Rettungsschiffe im Mittelmeer konnten in den vergangenen Wochen nicht an den nächstgelegenen Häfen anlegen. Vor allem Italien verwehrte die Einfahrt, zudem dürfen in Malta Seenotretter nicht mehr auslaufen. Auch das Aufklärungsflugzeug "Moonbird", das finanziell von der EKD unterstützt werde und 2017 vermutlich rund tausend Menschen vor dem Ertrinken gerettet habe, dürfe nicht mehr tätig werden, beklagte Rekowski und betonte: "Das Sterben geflüchteter Menschen auf dem Mittelmeer hört nicht auf, nur weil niemand mehr hinschauen kann."