Patienten dürfen künftig auch ohne vorherigen persönlichen Arztbesuch zum Beispiel per Videoschalte oder Online-Chat beraten und behandelt werden, wie es etwa bereits in der Schweiz und Schweden möglich ist. Dem Aufbau einer eigenständigen telemedizinischen Primärversorgung etwa durch kommerziell betriebene Callcenter erteilten die Ärztetags-Abgeordneten dagegen eine Absage.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) begrüßte die Entscheidung. "Damit helfen wir Ärzten und Patienten", sagte er: "Patienten werden unnötige Wege und Wartezeiten erspart. Und Ärzte können die digitale Welt aktiv gestalten anstatt dass es andere tun." Spahn kündigte zudem an, einen Expertenkreis zur Online-Behandlung einzuberufen.
Auch die Krankenkasse Barmer nannte die Regelung einen "wichtigen Schritt in die digitale Zukunft der Medizin". Mit der Fernbehandlung rückten Ärzte und Patienten näher zusammen, was eine intensivere Betreuung immobiler Patienten möglich mache, sagte Barmer-Chef Christoph Straub.
Josef Mischo, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer, betonte, dass digitale Techniken die ärztliche Tätigkeit unterstützen, aber nicht die notwendige persönliche Zuwendung von Ärzten ersetzen sollten. Dieser Auffassung schloss sich auch der Deutsche Hausärzteverband an. Das persönliche Arzt-Patienten-Gespräch bleibe auch in Zukunft der "Gold-Standard", hieß es. Entscheidend sei, dass die Angebote langfristig freiwillig blieben und "nicht als Kostensparprogramm für Krankenkassen missverstanden" würden.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz lehnt die neue Regelung dagegen ab. "Verlierer sind pflegebedürftige und schwerstkranke Menschen, die auf ihren Mediziner daheim hoffen. Aber ebenso Hausärzte, die heute schon Honorare gekürzt bekommen, weil sie zu viele Hausbesuche machen", hieß es.
Bislang war Telemedizin in Deutschland nur erlaubt, wenn Arzt und Patient sich schon kennen. Die neue Regelung in der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer erlaubt die ausschließliche Fernbehandlung im Einzelfall, wenn dies ärztlich vertretbar erscheint, die ärztliche Sorgfalt gewahrt wird und der Patient über die Besonderheiten dieser Form der Beratung aufgeklärt wird. Der Beschluss muss noch in die rechtsverbindlichen Berufsordnungen der Landesärztekammern übernommen werden.