Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz spricht sich gegen weitere Verhandlungen in der EU über verbindliche Quoten zur Aufnahme von Flüchtlingen aus. Die Mitgliedsstaaten sollten selbst entscheiden, ob sie Menschen aufnehmen und wie viele Flüchtlinge sie gegebenenfalls ins Land lassen, forderte er. EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos indes sagte, die künftige europäische Asyl- und Migrationspolitik müsse "fair und ausgewogen sein".
Kurz sagte der "Bild am Sonntag": "Staaten zur Aufnahme von Flüchtlingen zu zwingen, bringt Europa nicht weiter." Die Diskussion über die Quote sei "ohnehin weitgehend sinnlos". "Denn die Migranten, die sich auf den Weg nach Europa machen, wollen nicht nach Bulgarien oder Ungarn. Sie wollen vor allem nach Deutschland, Österreich oder Schweden", argumentierte der konservative Politiker wenige Tage nach seiner Wahl zum Regierungschef in Österreich.
Reform des Dublin-Systems angestrebt
Gegen verbindliche Aufnahmequoten stellen sich derzeit mehrere osteuropäische Länder. Nach dem EU-Gipfel Mitte Dezember waren die Staats- und Regierungschefs im Streit über die Flüchtlingspolitik auseinandergegangen. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, das sogenannte Dublin-System zu reformieren, in dessen Folge die Ankunftsländer der Flüchtlinge wie Griechenland und Italien übermäßig belastet sind. Flüchtlingskommissar Avramopoulos sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wir können den Status quo nicht akzeptieren, in dem einige Mitgliedstaaten mehr Verantwortung tragen müssen als andere."
Der Tageszeitung "Die Welt" (online) sagte Avramopoulos, es gelte, keine Zeit zu verlieren. Eine Einigung auf die Reform des Dublin-Systems und zur gesamten Asylgesetzgebung müsse spätestens bis Juni des nächsten Jahres gefunden werden.
Kurz forderte, Fehlentwicklungen in der EU-Flüchtlings- und Migrationspolitik dringend zu korrigieren. "Die Grenzen zwischen Asyl und Wirtschaftsmigration sind derzeit vollkommen verschwommen", sagte der österreichische Bundeskanzler. Es gehe darum, den Menschen in ihren Herkunftsländern zu helfen - wenn das nicht möglich sei, in den Nachbarstaaten.
Unterdessen wurde in Deutschland weiter über die Anstrengungen zur Integration von Flüchtlingen diskutiert. Kommunen, die Flüchtlinge aufnehmen, sollten nach einem Vorschlag von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) mehr Geld bekommen. "Wir müssen die Städte und Gemeinden dafür belohnen, dass sie Flüchtlinge aufnehmen", sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sie sollten nicht nur die Kosten der Integration vom Bund ersetzt bekommen. Den gleichen Betrag sollten sie noch einmal zusätzlich erhalten, um ihn für ihre Bürger einzusetzen. Die Kommunen dürften nicht vor der Entscheidung stehen, ob sie Flüchtlinge integrieren oder ihr Schwimmbad sanieren, betonte der Außenminister.
Die Städte und Gemeinden forderten eine schnellere Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Deutschland müsse sich von starren Mustern verabschieden, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, den Funke-Zeitungen. Spracherwerb funktioniere am besten über Arbeit. In Ländern wie Dänemark würden die Flüchtlinge so schnell wie möglich an den Arbeitsmarkt herangeführt, der Spracherwerb erfolge parallel.