Duisburger schreiben die Bibel ab

Duisburger schreiben die Bibel ab
So wie einst Martin Luther: Im Jahr des Reformationsjubiläums schreiben Duisburger Bürger per Hand die Bibel ab. Das bringt neue Zugänge zum Text und ist für manchen Teilnehmer eine Art von Meditation.
03.06.2017
epd
Stephanie Wickerath

Sie sind jung. Sie sind alt. Sie sind evangelisch, katholisch, atheistisch. Und sie sind Teil eines Ganzen. In 18 Gemeinden, Einrichtungen und christlichen Werken, in mehr als 50 Schulen und an drei öffentlichen Schreibstationen in Duisburg und Umgebung sitzen derzeit Menschen und schreiben aus einem Buch Sätze ab wie diese: "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser."

Duisburger Bibelprojekt heißt das Ganze und es ist vor allem eins: eine organisatorische Meisterleistung. "Unsere Lutherbibel - Gottes Wort aus unserer Hand" lautet der Slogan des Projekts, das seit Jahresanfang läuft und für das Oberbürgermeister Sören Link (SPD) und Superintendent Armin Schneider die Schirmherrschaft übernommen haben.



"Zum Reformationsjahr wollten wir etwas Besonders machen", sagt Pfarrerin Bärbel Melnik, Referentin des evangelischen Schulreferats Duisburg/Niederrhein, die das Bibelprojekt koordiniert. Die Idee: Schüler, Bürger und Mitarbeiter der Kirchengemeinden schreiben die Bibel ab - und zwar mit der Hand, denn: "Einen Text nicht nur zu lesen, sondern abzuschreiben, und das nicht am Computer, sondern mit der Hand, eröffnet einen ganz neuen Zugang zum Text", ist sich Pfarrerin Melnik sicher.

Jan-Pieter Barbian kann das bestätigen. Der Direktor der Duisburger Stadtbibliothek ist einer der zahlreichen Menschen, die das Projekt unterstützen und selber einen Ausschnitt abgeschrieben haben. "Ich habe eine mühsame Stelle übernommen", sagt Barbian, "es geht um Familienzusammenhänge und es wimmelt von Namen." Dennoch sei es spannend, sich den Bibeltext auf diese Weise zu erschließen. "Die Aufmerksamkeit ist beim Schreiben viel höher als beim Lesen."

Generell sei die Bibel ein sehr reizvolles Buch, in dem für jeden etwas stecke, das zu seiner Lebensgeschichte passe, meint der Bibliothekschef. Die Idee, die Bibel von Hand abschreiben zu lassen, findet Barbian großartig. "Es geht zurück an den Ursprung, Luther hat seine Übersetzung auch mit der Hand geschrieben."

Auch andere Menschen, die sich an dem Projekt beteiligt haben, sprechen von einer besonderen Erfahrung. Ein Mann habe ihr erzählt, es sei wie Meditation gewesen, sich in den Text zu vertiefen, berichtet Pfarrerin Melnik, die von dieser Wirkung ebenso begeistert ist wie von der Tatsache, dass die Idee "eingeschlagen ist wie eine Bombe".

"Wir haben nicht damit gerechnet, dass sich so viele Menschen mit so viel Begeisterung beteiligen", sagt die Pfarrerin. Ganz ohne das Zutun der Koordinatorin haben sich evangelische und katholische Gemeinden aus Essen und Düsseldorf, Schulen aus Kamp-Lintfort und Dinslaken, Frauengruppen aus Wesel und Moers gemeldet, um ein paar Seiten, Psalmen oder Passagen abzuschreiben.

Weil all diese handschriftlichen Fragmente - vermutlich werden es am Ende 8.000 bis 10.000 Blätter sein - in mehrere Bände gebunden werden und wieder ein Ganzes ergeben sollen, muss Bärbel Melnik sehr genau im Auge behalten, wer welchen Text abschreibt. "Ich gestehe: Dieses Projekt hat mir schon manch schlaflose Nacht bereitet", sagt die Schulreferentin.

Beim Gottesdienst zum Reformationsjubiläum am 31. Oktober soll die fertige Duisburger Bibel in der Mercatorhalle vorgestellt werden. Einen festen Platz wird das besondere Werk vermutlich an einem besonderen Ort bekommen: der spätgotischen Duisburger Salvator-Kirche.

Mehr Informationen zum Projekt: www.kirche-duisburg.de