Die Nürnberger Religionsgespräche von 1525 waren nach Einschätzung der Dresdner Geschichtsprofessorin Martina Münkler eine "bemerkenswerte Leistung" des Rats der Stadt. Mit ihnen sei es dem Rat damals gelungen, die Reformation abzufedern, harte Strafen gegen aufständische Bauern und Massaker unter Streitenden zu verhindern, sagte die Reformations-Expertin zu Beginn einer Internationalen Tagung über das Ereignis vor 500 Jahren.
Mit der Tagung eröffnete die Stadt im Historischen Rathaussaal einen Veranstaltungsreigen zur Einführung der Reformation in der Stadt, die sich nach den Religionsgesprächen an gleicher Stelle entschied, lutherisch zu werden.
Münkler sagte in ihrem Eröffnungsvortrag, Nürnberg habe zu Beginn des 16. Jahrhunderts, "einer Epoche extremer Spannungen und grundlegender Veränderungen", eine zentrale Rolle eingenommen. Die Stadt habe es sich nicht leisten können, anders als "bedacht" mit der Reformation umzugehen. "Gar nicht hoch genug einzuschätzen" sei dieser historische Moment, sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in einem Grußwort.
Der Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König (CSU) betonte, es helfe heute in Fragen der Streitkultur "vielleicht einen Blick zurückzutun, um zu sehen, wie Menschen mit Zäsuren umgegangen sind". König unterstrich aber, die Stadtgesellschaft von heute unterscheide sich von der vor 500 Jahren darin, dass sie für eine religiöse Vielfalt eintrete. "In einer pluralen Gesellschaft brauchen wir Ökumene mehr denn je."
Gemeinsame Schritte
"Heute trennen uns nur noch Kleinigkeiten", stellte der Catholica-Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der bayerische Landesbischof Christian Kopp, zum Umgang der Religionsgemeinschaften fest. Die Menschen interessierten sich dafür, was die Kirchen gemeinsam voranbrächten, erklärte er bei einem Podiumsgespräch. Den gemeinsamen Gottesdienst in der Sebalduskirche zum Jubiläum der Religionsgespräche am 16. März mit der evangelischen Regionalbischöfin, Elisabeth Hann von Weyhern, und dem Bamberger Erzbischof Herwig Gössl, nannte Kopp "sensationell". Ökumenische Sonntagsgottesdienste finden nach dem Willen vieler katholischer Bischöfe nur in Ausnahmefällen statt.
Der Göttinger Luther-Kenner und Historiker Thomas Kaufmann erinnerte an einen Nürnberger Schreiber namens Georg Fröhlich. Er habe schon zu Zeiten des Nürnberger Religionsgesprächs geschrieben, Toleranz könnte auch heißen, dass mehrere Konfessionen nebeneinander existieren. "Seine Rede blieb aber wirkungslos", stellte Kaufmann fest.
Den Kaiser nicht brüskieren
An sechs Tagen im März 1525 stritten sich lutherische und katholische Prediger nach festgelegten Regeln auf Basis der Bibel um den rechten Glauben. Die Fenster des Rathaussaals waren weit geöffnet, damit das Volk zuhören konnte. Der Prediger an der Nürnberger Lorenzkirche, Andreas Osiander, soll in diesen Religionsgesprächen mit scharfem Verstand ein Argumentationsfeuerwerk abgebrannt und die katholischen Klosterprediger an die Wand geredet haben. Nicht nur die Räte, sondern auch Handwerker und Künstler nahmen an dem Disput teil. Moderiert wurde der "Wettbewerb" vom Rechtsprofessor Christoph Scheurl.
In der Stadt, die Martin Luther als "das Auge und Ohr Deutschlands" pries, fuhr Anfang des 16. Jahrhunderts der Zug schon eine ganze Weile in Richtung Reformation. Die reformatorischen Predigten, auch von Größen der Reformation wie Philipp Melanchthon, fanden beim Volk großen Anklang. Aber die Reichsstadt war auch dem Kaiser unterstellt, der den päpstlichen Glauben behalten hatte. Den wollte man nicht brüskieren.
Die reformatorischen Gedanken setzten sich durch. Allmählich ging in die Kirchenordnungen ein, dass der Mensch immer auf die Gnade Gottes angewiesen ist. Abendmahle wurden als Gemeindemahle mit Brot und Wein gefeiert. Die Heiligenfeiertage wurden aufgehoben. Bereits 1522 führte der Rat der Stadt eine Armenfürsorge aus den eingezogenen Geldern der Klöster ein. Zu den neuen Aufgaben der Stadt gehörte das Schulwesen, das 1526 zur Gründung des ersten Gymnasiums führte, zu der Philipp Melanchthon anreiste.
Ein Bildersturm blieb den Nürnbergern erspart, wie an den Bürgerkirchen St. Sebald und St. Lorenz mit ihren Kunstwerken und Heiligenabbildungen deutlich wird. Mit Diplomatie und Bedacht wollte der Rat den Frieden in der Stadt bewahren.