Das Internet sei durch eine "Entkörperlichung" und durch eine "De-Individuation" charakterisiert. Durch das Eintauchen in die große Masse der User herrsche zudem eine gefühlte Anonymität, hinter der sich das Individuum verstecken könnte.
"Die so geschaffene Distanz zu den Opfern aber auch zu mir selbst führt dazu, dass ich mich der Verantwortung meiner Mitmenschen gegenüber entziehen kann", sagte Katzer. Das sei der Grund, weshalb sich gerade im Internet Hassmobs schnell und mit großer Reichweite verbreiten könnten. Katzer ist Sozialpsychologin und Leiterin des Instituts für Cyberpsychologie und Medienethik in Köln.
Digitale Medien änderten zudem unsere Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitung. Durch die permanente Nutzung des Smartphones seien wir darauf konditioniert, die jeweilige Aktivität zu unterbrechen. Die Konzentrationsfähigkeit lasse nach. "Dadurch entwickeln sich neue Wahrnehmungsstrategien: Wir sind nur mehr aufmerksam für kurze, kleine Häppchen im Tweet-Format." Untersuchungen zeigten, dass nur zehn bis 15 Prozent der Inhalte, die Internetnutzer angezeigt bekommen, sie auch lesen, sagte Katzer, die das Buch "Cyberpsychologie" geschrieben hat.
Man könne davon ausgehen, dass auch unsere Alltagswahrnehmung immer oberflächlicher werde. Wir würden empfänglicher für Manipulation: "Wir geben uns nur mehr Bestätigungen hin." Bereits bekannte, kognitive Strukturen lenkten unsere Aufmerksamkeit. Wenn dazu starke oder emotionalisierende Bilder kämen, Gefühle wie Wut oder Trauer und wahre Aussagen kombiniert seien mit Lügen, fiele es schwer, sich der Beeinflussung der "digitalen Lüge" zu entziehen, sagte Katzer.