Wenige Tage nach einer Massenflucht Hunderter Kopten aus dem Nordsinai reist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag zu politischen Gesprächen nach Ägypten. Deutschen Regierungskreisen zufolge ist unter anderem ein Gespräch mit Präsident Abdel Fattah al-Sisi geplant. Mit ihm will die Kanzlerin über die Lage in Libyen, die Migrationspolitik sowie über die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder beraten. Für Freitag wird die Kanzlerin in Tunesien erwartet.
Hilfsorganisationen forderten von Merkel, die schwierige Menschenrechtslage in Ägypten anzusprechen. "Die Gefängnisse sind überfüllt mit Regierungskritikern und zivilgesellschaftliche Organisationen werden durch restriktive Gesetze stark eingeschränkt", erklärte die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel. Auch mehr als 4.100 Flüchtlinge seien nach UNHCR-Angaben in Haftanstalten interniert. "Ägypten schiebt Flüchtlinge völkerrechtswidrig in den Sudan, nach Eritrea und Äthiopien ab, egal ob dort ihr Leben bedroht sein könnte", sagte Füllkrug-Weitzel.
###galerie|142404|Der Anschlag auf koptische Christen in Kairo###
In Kairo steht auch ein Treffen mit Koptenpapst Tawadros II. in der bekannten Markuskathedrale im Stadtteil Abbassija auf dem Programm. Mit dem Koptenpapst gemeinsam besichtigt Merkel die anliegende St.-Peter-und-Paul-Kirche, auf die im Dezember ein Bombenanschlag verübt worden war. Dutzende Menschen wurden getötet. Zunächst lag die Zahl der Toten bei 25, inzwischen wird von 29 Todesopfern berichtet. Geplant ist zudem ein Gespräch Merkels mit dem wichtigsten sunnitischen Geistlichen Ägyptens, dem Groß-Imam der berühmten Al-Azhar-Moschee, Ahmed Mohammed al-Tayyeb.
Merkel reist zu einer für Christen sehr schwierigen Zeit nach Ägypten. Erst vor wenigen Tagen waren nach einer Serie tödlicher Angriffe durch Milizen laut Medienberichten mehr als hundert koptische Familien aus dem Nordsinai umgesiedelt worden. Zuvor hatte die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in einer Videobotschaft allen ägyptischen Christen den Krieg erklärt, sie als ihre "Lieblingsopfer" verhöhnt. Die Dschihadisten bekannten sich auch zu dem Anschlag auf die St.-Peter-und-Paul-Kirche und kündigten weitere an.
Füllkrug-Weitzel sagte, die koptisch-christliche Minderheit fühle sich im Stich gelassen, weil sie nicht ausreichend vor regelmäßigen Angriffen durch IS-Islamisten geschützt werde: "Der Schutz und die Rechte der Bevölkerung einschließlich der Minderheiten sollte jetzt oberste Priorität haben." Christen stellen in Ägypten mit rund neun Millionen Gläubigen zehn Prozent der Bevölkerung.
Wie die staatliche Zeitung "Al-Ahram" am Dienstag berichtete, versprach Al-Sisi den Christen vom Nordsinai seine uneingeschränkte Hilfe. Den Angriff auf sie bezeichnete er als "feiges Komplott böser Leute", das darauf abziele, die nationale Einheit und das Vertrauen in den Staat zu erschüttern.
Auch Amnesty International äußerte sich kritisch über die Menschenrechtslage in dem Land am Nil. "Zivilgesellschaft, Medien und die politische Opposition leiden zunehmend unter staatlichen Repressionen, die oftmals unter dem Deckmantel des sogenannten Kampfes gegen den Terrorismus stattfinden", sagte der Ägypten-Experte der Organisation, René Wildangel. Die Bundesregierung sollte deutlich machen, dass eine Vertiefung der Zusammenarbeit nur möglich sei, wenn die Menschenrechte geachtet würden.
In Tunesien ist für Merkel unter anderem ein Gespräch mit Präsident Beji Caid Essebsi geplant. Neben Wirtschaftsfragen stehen auch dort die Themen Sicherheit und Migration auf dem Programm. Insbesondere das Konfliktland Libyen ist dabei im Fokus, von wo aus derzeit die meisten illegalen Migranten auf Booten übersetzen nach Europa. In Tunesien sind viele libysche Funktionäre im Exil, Ägypten hat enge Kontakte zum mächtigen General Chalifa Haftar, der im Osten eine eigene Armee befehligt und bislang nicht bereit ist, sich einer Einheitsregierung unterzuordnen.