Die Zahl der Christen nehme immer mehr ab, nicht nur in den palästinensischen Gebieten und in Israel sondern im ganzen Nahen Osten, sagte Azar dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. So habe die ELCJH derzeit noch etwa 2.000 Mitglieder, 1.000 weniger als noch vor wenigen Jahren. Wegen der israelischen Besatzung und der Radikalisierung von Teilen der muslimischen Gesellschaft sähen viele Christen in der Westbank und in Jerusalem keine Perspektive mehr, sagte Azar. "Diese Tatsache macht uns große Sorgen."
Azar, der derzeit Pfarrer an der Jerusalemer Erlöserkirche ist, war Anfang des Jahres zum Nachfolger von Bischof Munib Younan gewählt worden. Er wird Younan im Januar 2018 im Amt folgen, der nach 20 Jahren in den Ruhestand geht. In Berlin war Azar an diesem Wochenende Gast auf dem 165. Jahresfest des Jerusalemvereins des Berliner Missionswerks.
In einigen Dörfern predigten Imame laut, dass der Islam die einzig wahre Religion sei, berichtet Azar. Das habe es früher nicht gegeben: "Unsere Kinder haben nach dem Besuch der Kirche oder der Moschee direkt wieder zusammengespielt." Mit der Mehrheit der muslimischen Gesellschaft habe die Kirche keine Probleme, "aber der Einfluss der radikalisierten Minderheit ist spürbar", sagte der künftige Bischof.
Ein weiteres Problem seien fehlende Arbeit und fehlender Wohnraum. Familien verließen das Land vor allem, um ihren Kindern eine bessere Zukunft bieten zu können. "Wir als Kirche versuchen, den Menschen Sicherheit zu geben, eine Perspektive", so Azar. So sei beispielsweise auf dem Ölberg ein christliches Housing Project mit 84 Wohnungen geplant, in denen orthodoxe, katholische, evangelische Christen zusammenleben können.
Wegen der israelischen Besatzung, dem Siedlungsbau, der Mauer und den Checkpoints sei es sehr schwer, das Gemeindeleben aufrecht zu erhalten. "Dadurch zerfällt unsere Kirche ein Stück", kritisierte Azar. Als künftiger Bischof wolle er diese Verbindungen wieder aufbauen, durch Gemeindebesuche, Gespräche, Veranstaltungen, Begegnungen und Kinderfreizeiten - "auch wenn es kompliziert ist".
Sehr wichtig seien zudem die vier evangelischen Schulen in der Westbank. Im Schnitt besuchten 60 Prozent muslimische und 40 Prozent christliche Kinder die Schulen, insgesamt rund 2.500 Schüler. Die Kinder gemeinsam zu erziehen, sei wichtig für eine gemeinsame Zukunft in Palästina.
"Wir sind ein Teil des palästinensischen Volkes", sagte Azar weiter. Ein zukünftiger palästinensischer Staat könne daher kein religiöser, muslimischer Staat sein, sondern er müsse ein Staat für alle Palästinenser sein, unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit. "Ob wir als christliche Minderheit nun zwei oder ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, spielt dabei keine Rolle."
Die ELCJHL ist Partnerkirche der Evangelischen Kirche Berlin Brandenburg Schlesische Oberlausitz (EKBO) und des Berliner Missionswerks. Sie ist in sechs Gemeinden in Jerusalem, Bethlehem, Ramallah, Beit Jala, Beit Sahour und Amman (Jordanien) organisiert.