"Frohe Ostern", nicht in Bangladesch

In Kutapalong, einem der Lager in Cox’s Bazar, steht eine Kirche mit einem Kreuz auf dem Dach.
Peter Saiful
In Kutapalong, einem der Lager in Cox’s Bazar, gibt es nur eine Kirche mit einem Kreuz auf dem Dach.
Verfolgt: Christliche Rohingya
"Frohe Ostern", nicht in Bangladesch
Mutig. Kämpferisch. Glaubensstark. Gefährdet. Diese Eigenschaften beschreiben Peter Saiful perfekt. Saiful ist ein protestantischer Christ und Pastor -  und ein Rohingya. Der Pastor der Bethel Kirche lebt in einem der Flüchtlingslager in Bangladesch und muss auf der Hut vor islamistischer Gewalt sein.

In den Lagern in Cox’s Bazar kursieren Plakate der separatistisch-islamistischen Rebellengruppe "Arakan Rohingya Salvation Army" (ARSA), auf denen unter Slogans wie: "Es gab unter den Rohingya nie Christen und es wird nie welche geben. Sie spalten uns", Saiful und zwei weitere Rohingya-Christen mit einem Strick um den Hals dargestellt.

In den Lagern in Cox’s Bazar kursieren Plakate der separatistisch-islamistische Rebellengruppe "Arakan Rohingya Salvation Army" (ARSA), auf denen Pastor Saiful und zwei weitere Rohingya-Christen mit einem Strick um den Hals dargestellt sind.

Die Gewalt in den Lagern ist nicht auf Christ:innen begrenzt. Die ARSA, andere islamistische Gruppen und kriminelle Bandeb verbreiten Angst und Schrecken unter allen Flüchtlingen. Als religiöse Minderheit sind die Christen jedoch zudem der Hetze und Fatwas durch die Imame ausgesetzt. 

Im August 2017 vertrieb das Militär unter der Regierung der durch den Putsch vom 1. Februar 2021 gestürzten Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi mit brutalster Gewalt rund 700.000 Rohingya nach Bangladesch. Insgesamt leben dort zusammen mit Flüchtlingen aus Pogromen früherer Jahre mehr als eine Million Rohingya. Die Familie von Saiful ist typisch für das Schicksal der Rohingya. Teile der Familie leben schon länger in Cox’s Bazar, nachdem sie seit den 1990er Jahren mehrfach nach Bangladesch geflüchtet waren und wieder nach Myanmar abgeschoben wurden. Einige seiner dreizehn Geschwister leben inzwischen in Malaysia und Australien, während sein Bruder Ehsan Ullah in Norwegen Asyl gefunden hat.

Die Rohingya gelten als einer der am stärksten diskriminierten und unterdrückten religiös-ethnischen Minderheiten der Welt. Sie sind fast zu einhundert Prozent sunnitische Muslime. Aber eben nur fast. Eine kleine Minderheit bekennt sich zum Hinduismus. Weitgehend unbekannt war bisher aber, dass es eine sehr kleine Gruppe von Christ:innen gibt. Diese wurden erst Anfang 2025 einer überschaubaren Öffentlichkeit durch ein paar Medienberichte in Asien über die islamistischen Aufrufe zur Lynchjustiz Christen in Cox’s Bazar bekannt.

Wenig ist über die christlichen Rohingya bekannt, die in Myanmar wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit von Armee und Regierung und von den muslimischen Rohingya wegen ihres Bekenntnisses zum Christentum verfolgt werden. Saiful schätzt die Zahl der Christen auf nahezu 2.000, von denen die meisten inzwischen zerstreut in den Lagern sowie als Flüchtlinge in Malaysia, Indien oder in Norwegen leben.

Rohingya überliefern ihre Geschichte mündlich

Das Christentum hat erst seit rund 30 Jahren unter den Rohingya Verbreitung gefunden. Wie, ist unklar. Manchmal ist von Missionaren aus Indien die Rede. Sicher hatten die Rohingya wie auch andere Volksgruppen in Myanmar seit der britischen Kolonialzeit Kontakt zu Christen. "Mein Großvater hat Jesus verehrt und immer gesagt, wenn er stirbt, geht er zu Jesus", sagt Ullah. Wie sein Großvater zu Jesus gefunden hat, weiß der 40-Jährige nicht. "Die Geschichte des Volks der Rohingya wird über Erzählungen weitergegeben. Es gibt nichts Schriftliches. In Myanmar wurden wir diskriminiert, unterdrückt und hatten kaum Zugang zu Bildung. Daher sind die meisten Rohingya Analphabeten", sagt Ullah, der als Busfahrer arbeitet und seit über zehn Jahren Teile der Bibel in die Sprache der Rohingya übersetzt. Die einfachen, kurzgehaltenen Texte lässt er von einem ehemaligen Mitarbeiter von Disney illustrieren. 

Aus Angst vor Verfolgung halten sich zudem viele christliche Rohingya sowohl in ihrer Heimat Rakhine in Myanmar als auch in den Lagern in Cox’s Bazar sehr bedeckt. Ein organisiertes Gemeindeleben gibt es kaum und wenn doch, dann als geheime Hauskirchen und Untergrundgemeinschaften. In Kutapalong, einem der Lager in Cox’s Bazar, gebe es zwei Hauskirchen und eine Kirche mit einem Kreuz auf dem Dach, erzählt Saiful.

Wie überleben ohne Spendengelder?

In den Lagern herrscht pure Verzweiflung und Not. An eine Rückkehr nach Myanmar ist aufgrund des Bürgerkriegs und fehlender Garantien aller Konfliktparteien für die Sicherheit und die bedingungslose Anerkennung der Rohingya als Bürger:innen mit allen Rechten nicht zu denken. Gleichzeitig wird es für Bangladesch, die Vereinten Nationen als auch für private Organisationen angesichts rückläufiger Spenden immer schwerer, das Überleben der Flüchtlinge zu finanzieren. Erst auf den letzten Drücker konnte das Welternährungsprogramm die für den 1. April angekündigte Kürzung der Lebensmittelbeihilfe von 12 auf sechs Dollar pro Kopf und Monat aussetzen. 

Sadeq und Sayed sind christliche Rohingya-Flüchtlinge in Neu Delhi. Aus Sicherheitsgründen wollen die beiden Aktivisten der Organisation "Rohingya Christian Youth Union" ihren vollen Namen nicht angeben. "Wir leben hier in einem offenen Gefängnis", sagt Sadeq. Sayed ergänzt: "Wir dürfen die Stadt nicht verlassen. Wir haben zwar Papiere von der UN-Flüchtlingsorganisation, die aber von der Polizei und den Behörden nicht anerkannt werden."

Abschiebung aus Neu-Delhi droht

Im Februar hatte die hindu-nationalistische und stramm anti-islamische "Indische Volkspartei" unter anderem mit dem Versprechen, alle angeblich illegal eingewanderten Muslime und Rohingya aus der indischen Hauptstadt auszuweisen, die Landtagswahl mit einem Erdrutschsieg gewonnen. Jetzt droht den rund 3.000 Rohingya – darunter 180 Christen – in Neu-Delhi die Abschiebung. Vor dem Obersten Gericht Indiens ist eine Klage gegen die Deportation anhängig.

Immerhin sind die Rohingya in Neu-Delhi nicht der Gefahr von Entführungen wie in den Lagern in Bangladesch ausgesetzt. "Wir sind zutiefst besorgt über die steigende Zahl von Entführungen in Rohingya-Flüchtlingslagern", klagte die Organisation "Rohingya Christian Voice" (RCV) im Januar 2025. Saiful weiß aus leidvoller Erfahrung, was die RCV anprangert.  "Eine meiner Töchter wurde am 27. Januar 2020 von der ARSA entführt. Sie war 14 Jahre alt. Wir wissen seitdem nicht, wo sie ist und ob sie noch lebt." In dem Jahr wurde Saiful aber auch zum öffentlichen Streiter für die christlichen Rohingya. "Über uns hat keiner gesprochen. Da dachte ich mir, einer muss das endlich machen." 

Mit ihrem Eintreten für die christlichen Rohingya dringen die Aktivisten aber kaum durch. Sie beklagen die mangelnde Unterstützung für ihre Rechte und ihren Schutz durch die UN-Flüchtlingskommission und Menschenrechtsorganisationen. "Als UN-Generalsekretär António Guterres im März zu Besuch in den Lagern war, wurden wir nicht eingeladen", kritisiert Saiful. 

Die Karwoche und das Osterfest werde die christlichen Rohingya in den Lagern in gewohnter Weise im Untergrund begehen. "Wir bereiten uns vor und hoffen, ein Abendessen für die Menschen organisieren zu können", sagt Saiful und fügt traurig hinzu: "Es gibt keine Unterstützung oder zusätzliche Lebensmittel oder irgendetwas von Hilfsorganisationen."