"Wer hat denn gesagt, wir seien die moralisch Besseren? Solchen Hochmut habe ich nicht beobachtet", sagte Bedford-Strohm dem evangelischen Monatsmagazin "chrismon" (März-Ausgabe) zu dem Vorwurf, das Handeln sei auch von kirchlicher Seite hochmoralisch aufgeladen worden. "Ich habe Menschen erlebt, die geholfen haben."
Er habe im Spätsommer 2015 selbst die "chaotischen Zustände" auf dem Balkan erlebt, berichtete Bedford-Strohm. "Das war alles andere als eine entspannte Lage." Er kenne keine kirchliche Forderung, alle Grenzen abzuschaffen: "Es ging nicht um die Sicherung von Außengrenzen, sondern um Grenzen innerhalb des Schengen-Raums. Es ist und bleibt das Ziel, dass Europa gemeinsam agiert. Dass nicht jeder einfach ohne Kontrolle und Registrierung nach Europa kommen kann, ist ja klar."
Er habe wegen des Türkei-Abkommens Bauchschmerzen, fügte Bedford-Strohm hinzu. Er habe es aber nicht grundsätzlich kritisiert. Einfache Lösungen gebe es in der Migrationspolitik nicht. "Und weil wir damals in einer Situation waren, in der es vor lauter 'einfachen Lösungen' nur so wimmelte - Stichworte: Obergrenze und Grenzbewaffnung - haben wir als Kirchen Verantwortung übernommen für die Verpflichtungen der Hilfe und der Solidarität."
Die Kirchen moralisierten nicht zu viel in politischen Fragen, sagte Bedford-Strohm. "Sie versuchen, eine sinnvolle öffentliche Orientierung zu geben. Wir brauchen ja solche Orientierung."
Er wisse auch, dass man die Bergpredigt nicht direkt auf die Politik übertragen könne, sagte der Ratsvorsitzende mit Blick auf Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern. "Wenn es ein faires Verfahren gibt, wenn es nach allen rechtlichen Abwägungen kein Abschiebehindernis mehr gibt, dann muss die Rückführung erlaubt sein." Wichtig sei aber, dass sie verhältnismäßig sei. "Hinter jedem steht ein Einzelschicksal. Und wir können Menschen nicht dahin abschieben, wo ihnen Gefahr für Leib und Leben droht."