Die katholische Kirche in Deutschland will wiederverheiratete Geschiedene in begründeten Einzelfällen zur Eucharistie zulassen. Allerdings gebe es in dieser Frage keine allgemeine Regelung und keinen Automatismus in Richtung einer generellen Zulassung, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Wort der deutschen Bischöfe zum Schreiben "Amoris laetitia" (Die Freude der Liebe) von Papst Franziskus vom April 2016. Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" begrüßte das Schreiben grundsätzlich.
Der Ökumene-Experte Martin Bräuer bezeichnete die Erklärung der Bischöfe als "vorsichtige Öffnung" aber als "keine Revolution". Man bewege sich auf der Linie von Papst Franziskus und auch etwa der argentinischen Bischöfe, die eine Zulassung Geschiedener zur Eucharistie zwar nicht generell erlauben, aber in Einzelfällen zulassen. Diese Praxis sei auch von Papst Franziskus ausdrücklich gelobt worden. Das Papier der katholischen Deutschen Bischofskonferenz enthalte "Entwicklungspotenzial" hin zu einer liberaleren Haltung, sagte der Catholica-Referent des Konfessionskundlichen Instituts der evangelischen Kirche im südhessischen Bensheim.
Ökumene-Experte: Kompromisstext aber "keine Revolution"
Das jetzt veröffentlichte Papier sei ein "Kompromisstext", fügte Bräuer hinzu. In der Praxis werde sich kaum etwas ändern, auch sei keine einheitliche Linie zu erkennen. Der Spagat zwischen einer an den Realitäten des Lebens und einer mehr naturrechtlich argumentierenden Position habe die Diskussion um das päpstliche Schreiben in den vergangenen Monaten geprägt und werde wohl weiter andauern. Es werde jetzt darauf ankommen, wie die einzelnen Bistümer in Deutschland mit den Vorgaben umgehen.
Es gehe um Einzelfallentscheidungen und da seien nun vor allem die Seelsorger mit ihrer Kompetenz gefordert, sagte Bräuer. Allerdings würden nun die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten nicht mehr als generell "unerlaubt" gesehen.
"Wir sind Kirche" bezeichnete den Text als Fortschritt: "Wie Franziskus geben die Bischöfe keine klaren Regelungen bezüglich des Sakramentenempfangs für geschiedene Wiederverheiratete vor, bekennen sich aber ausdrücklich zur Möglichkeit des Sakramentenempfangs in diesen Situationen. Dazu empfehlen sie, 'auf die Kirche vor Ort zuzugehen' und überlassen alles Weitere der örtlichen Seelsorge und den Eheleuten". Dies sei grundsätzlich richtig, stelle aber angesichts der augenblicklichen Personalsituation in Großgemeinden in vielen Fällen eine Überforderung dar, räumte die Laienbewegung ein.
Zu bedauern sei allerdings, dass es mehr als neun Monate gedauert habe, bis sich die deutschen Bischöfe auf gemeinsame Aussagen hätten einigen können, fügte "Wir sind Kirche" hinzu: "Damit sind sie mitverantwortlich für die innerkirchlichen Auseinandersetzungen um "Amoris laetitia", die in dem Schreiben der vier Kardinäle - mit Kardinal Walter Brandmüller und Kardinal Joachim Meisner darunter auch zwei deutsche - gipfelten, die vom Papst eindeutige Ja-Nein-Antworten bezüglich der Zulassung von geschiedenen Wiederverheiraten zu den Sakramenten forderten." Enttäuschend sei aus ökumenischer Sicht im Jahr des 500. Reformationsgedenkens die Aussage der deutschen Bischöfe, dass selbst in konfessionsverbindenden Ehen immer noch nicht die volle Gemeinschaft im Herrenmahl möglich sein soll.
In seinem Schreiben "Amoris laetitia" vom April 2016 hatte Papst Franziskus konkrete Vorgaben für eine Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion vermieden. Bislang werden Geschiedene nach einer Wiederheirat zusammen mit ihrem neuen Partner in der Regel nicht zum Sakrament der Eucharistie - und der Buße - zugelassen, weil sie sich nach offizieller katholischer Lehre im Zustand der Sünde befinden.
Im Text der deutschen Bischöfe heißt es jetzt, "in Lebenssituationen, die oft genug als aufreibend und belastend erlebt werden, sollen die Betroffenen erfahren können, dass ihre Kirche sie nicht fallen lässt". Nicht alle Gläubigen, deren Ehe zerbrochen sei und die zivil geschieden und wiederverheiratet sind, könnten "ohne Unterscheidung die Sakramente empfangen", wird in dem Papier betont. Erforderlich seien vielmehr "differenzierte Lösungen, die dem Einzelfall gerecht werden und dann zum Tragen kommen, wenn die Ehe nicht annulliert werden kann".