"Franziskus hat ökumenische Zeichen gesetzt"

Pfarrer Michael Jonas der evangelisch-lutherischen Christuskirche in Rom bei Gottesdienst
epd-bild/Almut Siefert
Michael Jonas ist Pfarrer in der evangelisch-lutherischen Christuskirche in Rom (Archivfoto von Gottesdienst am 1.10.2023).
Deutsche evangelische Gemeinde in Rom
"Franziskus hat ökumenische Zeichen gesetzt"
Der Theologe Michael Jonas ist seit 2018 Pfarrer der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom. In dieser Zeit ist er Papst Franziskus mehrmals begegnet. Welche Erinnerungen und welche Spuren der Ökumene das katholische Kirchenoberhaupt in der evangelischen Christuskirche hinterlässt, erzählt Jonas im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst.

epd: Pfarrer Jonas, 1983 hat Papst Johannes Paul II. von der Kanzel der Christuskirche gepredigt, 2010 feierte Ihre Gemeinde einen Gottesdienst mit Benedikt XVI. Wie war Ihr Kontakt zu Papst Franziskus?

Michael Jonas: Unsere Kirche war für alle drei Päpste ein Raum, in dem ökumenische Gesten und gemeinsame Gebete möglich waren - auf eine sehr freundliche Weise. Die Wahrnehmung unserer Gemeinde von Papst Franziskus ist bis heute stark geprägt durch seinen sehr herzlichen Besuch der Christuskirche im Jahr 2015. Ich persönlich durfte ihn regelmäßig zu ökumenischen Anlässen treffen, und dabei hat er immer wieder Bezug darauf genommen und sich nach der Gemeinde erkundigt.

Er war ein Mann der direkten Begegnungen, sehr nahbar und unbefangen, mit einem echten Interesse an seinem Gegenüber. Von Anfang an hat er menschliche Nähe möglich gemacht. Daran sind persönliche Erinnerungen geknüpft, die jetzt den Abschied für viele unserer rund 500 Gemeindemitglieder und auch für mich sehr emotional machen. Es ist eben nicht nur der Abschied von einem Kirchenführer, sondern von einem Menschen, zu dem wir einen echten Kontakt hatten.

Bei seinem Besuch hat Papst Franziskus der evangelischen Gemeinde in Rom einen Abendmahlskelch geschenkt. Welche Bedeutung für die Ökumene hat diese Geste?

Jonas: Das Pontifikat von Franziskus war ein Pontifikat der Gesten, und das Zeichen dieses Geschenks entfaltet, gerade in seiner Deutungsoffenheit, weiterhin seine Wirkung. Sein enger Vertrauter, der Jesuit Antonio Spadaro, pflegt von einem Pontifikat der Aussaat zu sprechen, nicht der Ernte. Franziskus hat ökumenische Zeichen gesetzt, nicht mit Dokumenten und Vertragsabschlüssen für einen gemeinsamen Zugang zum Tisch des Herren, aber mit Wertschätzung des Gegenübers und Leidenschaft für das Gemeinsame. Nun schauen wir, was Frucht tragen wird und was sich daraus vielleicht auch theologisch oder kirchenrechtlich entwickeln kann. Ich bin voller Hoffnung, dass wir auf diesem Weg weitergehen werden. Den Kelch verwenden wir übrigens regelmäßig im Gottesdienst.

Welche Begegnung mit Franziskus bleibt Ihnen besonders im Gedächtnis?

Jonas: Zu Beginn meiner Amtszeit in Rom hatte ich eine Privataudienz, in der wir intensive und tiefe Gespräche geführt haben. Franziskus erzählte mir dabei, dass er, von Argentinien angefangen, sein Leben lang immer wieder gute Begegnungen mit lutherischen Christen gehabt hat. Das hat eine vertrauensvolle Grundlage geschaffen.

"Im Streben nach einem überzeugenden Leben nach der Lehre Jesu unterscheiden uns die Konfessionen nicht"

Wir sprachen über das Christentum und die Herausforderungen unserer Zeit. Seine Frage war, wie wir das Christentum authentisch leben können, in der Zuwendung zu anderen Menschen, zu Armen. Wie wir nicht nur über den Glauben sprechen, sondern im Alltag Haltung zeigen können, die die Kirchenmauern überschreitet. Und in diesem Punkt, im Streben nach einem überzeugenden Leben nach der Lehre Jesu, unterscheiden uns die Konfessionen nicht. Das sah auch er so.

Wie war zuletzt Ihr Kontakt zum Heiligen Stuhl?

Jonas: Als der Papst in den vergangenen Monaten in der Gemelli-Klinik war, konnten wir über Kardinalvikar Baldassare Reina eine persönliche Nachricht an ihn schicken. Das zeigt das gute Verhältnis und dass wir als evangelische Gemeinde ernst genommen werden.

Nach der Nachricht von Franziskus' Tod war es mir wichtig, im Namen der Gemeinde zu kondolieren. Also habe ich den Kardinälen, mit denen wir im engen Kontakt sind, unsere Betroffenheit zum Ausdruck gebracht und dafür dankbare Reaktionen erhalten, dass wir als Nicht-Katholiken Anteil nehmen. Dieser Austausch zeigt, wie stark und belastbar unsere Beziehung ist. Am Samstag werde ich an der Trauerfeier teilnehmen und am Sonntag mit der Gemeinde in unserer Fürbitte an diesen Abschied denken.

Welche Hoffnung verbinden Sie mit der anstehenden Papstwahl?

Jonas: Unsere Gemeinde hat sehr unterschiedliche Papstpersönlichkeiten erlebt und weiß, dass jede immer ihr ganz eigenes Charisma hat, aber niemals alle Erwartungen erfüllen kann. Daher würde ich mir wünschen, dass es eine ausgleichende und integrative Person wird. Aber mein Wunsch tut ja wenig zur Sache. Ich bin mir sicher, dass die wählenden Kardinäle wissen, was für die katholische Kirche jetzt gut ist. Unsere Gemeinde wird in jedem Fall auch den künftigen Papst freundlich einladen - in guter Tradition.