Der Text erhielt den Zusatz: "Aus Blindheit und Schuld zur Umkehr gerufen, bezeugt sie (die Kirche) neu die bleibende Erwählung der Juden und Gottes Bund mit ihnen. Das Bekenntnis zu Jesus Christus schließt dieses Zeugnis ein." Damit entzog die Kirche Antijudaismus und Antisemitismus jegliche theologische Grundlage und regte eine Neuorientierung des christlich-jüdischen Verhältnisses an.
Doron Kiesel vom Zentralrat der Juden in Deutschland bezeichnete die Erweiterung des Grundartikels der EKHN als "Paradigmenwechsel im protestantisch-jüdischen Verhältnis". Die Anerkennung der bleibenden Erwählung der Juden sei ein "klarer Bruch mit der sogenannten 'Vererbungsthese', die davon ausgeht, dass Gottes Zuwendung von den Juden auf die Christen übergeht". Sie erkenne zudem an, dass Jesus Christus als Jude aufgewachsen sei und als Jude gewirkt habe. Daraus folge eine "substanzielle und irreversible Verbindung des Christentums mit seinen jüdischen Wurzeln".
Dem Antisemitismus entgegentreten
Dieser Paradigmenwechsel sei als "theoretische Grundlegung" gelungen, in der praktischen Umsetzung und der "Bewusstseinsbildung" hapere es aber noch, schränkte der Professor für interkulturelle und internationale Pädagogik an der Fachhochschule Erfurt und Wissenschaftliche Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats ein. Defizite gebe es etwa in der Ausbildung des theologischen Nachwuchses, sagte Kiesel, der in den 1990er Jahren Studienleiter an der Evangelischen Akademie Arnoldshain war. Er riet der EKHN allerdings davon ab, die noch bestehenden Probleme alleine lösen zu wollen. Die Kirche solle den Kontakt zu den jüdischen Gemeinden suchen und "auf Augenhöhe" mit ihnen sprechen.
Der hessische Kultusminister Alexander Lorz (CDU) lobte die EKHN für ihr Engagement im Gespräch mit dem Judentum. Auch für den säkularen und neutralen Staat sei es wichtig, dass der Dialog zwischen den Religionen geführt werde, sagte der Protestant in seinem Grußwort. Ein respektvolles Umgehen der Religionen miteinander trage wesentlich zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei. Aufgrund der "historischen Schuld und historischen Verantwortung" seien sowohl der Staat als auch die Kirche verpflichtet, ein "klares Bekenntnis für das Existenzrecht des Staates Israel abzulegen und Antisemitismus entschieden entgegenzutreten".
Bereits zu Beginn der Synodentagung hatte Präses Ulrich Oelschläger eine Intensivierung des Dialogs mit dem Judentum gefordert. In einem Gottesdienst zum Auftakt der Beratungen erklärte er, "dass das Zusammenleben von Christen und Juden in unserer Geschichte zarte Knospen zeigt, aber immer wieder auch Verletzung und Zerstörung". Umso wichtiger sei eine intensive Auseinandersetzung mit den Traditionen beider Glaubensrichtungen.
An der Feierstunde nahmen mehrere Wegbereiter der Grundartikelerweiterung von 1991 teil, darunter der damalige Vorsitzende des Theologischen Ausschusses der Synode, Gerhard Wendland, das Ausschussmitglied Bettina Kratz sowie der Theologe Martin Stöhr, der langjährige evangelische Vorsitzende des Koordinierungsrats der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und Präsident des Internationalen Rates der Christen und Juden. Der 84-Jährige wurde für seine ehrenamtlichen Verdienste um den Dialog mit dem Judentum mit der höchsten Auszeichnung der EKHN, der Martin-Niemöller-Medaille, ausgezeichnet.