Stärker als dem Staat sei es der Kirche möglich, "im Namen der Barmherzigkeit und Nächstenliebe andere Schwerpunkte zu setzen und sich bestimmten Personen oder Gruppen besonders zuzuwenden", heißt es in einem Beitrag des CDU-Politikers für die Beilage "Christ & Welt" der Wochenzeitung "Die Zeit". Je konkreter und tagespolitischer kirchliche Wortmeldungen seien, desto "mehr werden sie aber auch weniger unterscheidbar zu anderen gesellschaftlichen Debattenbeiträgen". Das müssten die Kirchen berücksichtigen.
De Maizière und andere Unions-Politiker reagierten damit auf eine Äußerung des bayerischen Finanzministers Markus Söder (CSU). Dieser hatte in der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" erklärt, die Kirchen sollten sich stärker auf den Glauben konzentrieren "und weniger Politik machen". Natürlich dürften und müssten Kirchen mahnen, etwa zum Thema Flüchtlingspolitik, sie sollten "aber keine Ersatzpolitiker sein und keine Ersatzpartei", so Söder.
Kirchen sollen sich "lauter" und "mutiger" positionieren
Dagegen hatte sich der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) Mitte November bei den Religionsgemeinschaften für deren politisches Engagement bedankt. Er wolle als Ministerpräsident, "dass sich Kirchen und Religionsgemeinschaften einmischen". Er halte "gar nichts davon, wenn sich jeder auf seinen Verantwortungsbereich zurückzieht".
Der Protestant Maizière fügte in "Christ & Welt" hinzu, er sei "tief davon überzeugt, dass Staat und Kirche sich zum Wohle unserer Gesellschaft gegenseitig ergänzen". Verkündung der christlichen Botschaft und Seelsorge sei der innerste Kern des Auftrags der Kirche. "Auf der Grundlage ihrer universalen Glaubenslehre kann, darf, ja sollte sich die Kirche aber auch mit eigenen, kontroversen Beiträgen und Vorschlägen in politische und gesellschaftliche Diskussionen 'einmischen'", fügte der CDU-Politiker hinzu. Die Kirche müsse zugleich auch den Auftrag des Staates und sein Handeln akzeptieren.
Ex-Bundespräsident Christian Wulff (CDU) schreibt in "Christ & Welt": "Mehr Kirche, mehr Christen, das geht zulasten von niemandem, wäre aber zum Nutzen aller." Wulff: "Gewiss mögen Kirchenvertreter gelegentlich mit Einlassungen über das Ziel hinausschießen, aber dies ist mir tausendmal lieber, als dass der 'wind of change' der gesellschaftlichen Stimmung immer stärker in die egoistische und einseitig interessengeleitete Richtung dreht." Deshalb wünsche er sich eine "lautere, wesentlich mutigere Positionierung der Kirchen und Religionsgemeinschaften" in Deutschland.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erklärte in der Hamburger Wochenzeitung, sowohl der pluralistischen Gesellschaft wie der säkularen Demokratie tue "eine christlich inspirierte Ermutigung und Gewissensschärfung gut". Gröhe: "Für den Schutz des menschlichen Lebens, für den Schutz gerade der Schwächsten einzutreten, Rassismus entgegenzutreten, Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung zu fördern - wer wollte bestreiten, dass dies zum kirchlichen Auftrag gehört?" Gröhe, der Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, warnte zugleich davor, "die eigene Überzeugung für die einzig christliche zu halten".