Amnesty International warnte zudem vor einer Zusammenarbeit in der Flüchtlingspolitik mit Staaten wie Ägypten oder dem Sudan, in denen Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Anlass der Äußerungen ist der bundesweite Flüchtlingstag am 30. September.
Vor allem die von der EU geplante Verschärfung des Dublin-Systems prangerten Pro Asyl und Amnesty International an. Künftig laufe jeder Flüchtling Gefahr, ohne Prüfung seiner individuellen Fluchtgründe in einen Nicht-EU-Staat abgeschoben zu werden, über den er eingereist ist, sagte die Amnesty-Asylrechtsexpertin Wiebke Judith.
"Desaströser Tabubruch" und "beispielloser Rückschritt"
Demnach sollen die EU-Mitgliedsstaaten künftig verpflichtet werden, in sogenannten Zulässigkeitsverfahren zu prüfen, ob ein außereuropäischer "sicherer Drittstaat" oder "erster Asylstaat" für einen Asylsuchenden zuständig ist. Betroffene könnten dann in einen Drittstaat zurückgeführt werden, der ihnen keinen adäquaten Schutz gewährt.
Mit dem von der EU angestrebten Dublin-IV-Verfahren solle europaweit eingeführt werden, was derzeit bereits Teil des EU-Türkei-Abkommens ist. Dieses Prinzip zu einer allgemeinen europäischen Flüchtlingspolitik zu machen, sei ein "desaströser Tabubruch", warnte Pro-Asyl-Geschäftsführer Burkhardt. Es drohe ein "beispielloser Rückschritt" im europäischen Flüchtlingsschutz, weil einem Großteil der Schutzsuchenden der Zugang zu einem Asylverfahren in Europa verwehrt werden solle.
In der Flüchtlingspolitik schrecke Europa zudem nicht davor zurück, mit Regierungen zu kooperieren, die selbst Menschenrechtsverletzungen begehen und damit Menschen zur Flucht zwingen, fügte Amnesty hinzu. So solle mit Vereinbarungen mit Staaten wie Ägypten oder dem Sudan die Flucht von Menschen aus Eritrea verhindert werden. Ein aktueller Amnesty-Report belege, dass die sudanesische Regierung in diesem Jahr bereits über 30 Mal Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung in Dafur eingesetzt habe. Zudem würden in Ägypten Flüchtlinge Opfer von Menschenrechtsverletzungen.
Kein Anspruch auf Familienzusammenführung
Auch die jüngsten Änderungen in der Anerkennungspraxis in Deutschland stießen auf Kritik. Anstatt des vollen Flüchtlingsschutzes bekämen mittlerweile 70 Prozent der syrischen Flüchtlinge und 30 Prozent der Flüchtlinge aus Eritrea nur den sogenannten subsidiären Schutz, erklärten beide Organisationen. Ebenso würden die Anerkennungsquoten für Asylsuchende aus dem Irak und Afghanistan sinken.
Seit dem im März in Kraft getretenen Asylpaket II haben Menschen mit subsidiärem Schutz für die nächsten zwei Jahre keinen Anspruch auf Familienzusammenführung. "Es war der erklärte Wille der Bundesregierung, einen Nachzug von Familienangehörigen zu verhindern", kritisierte Burkhardt und betonte: "Es ist wohl kaum Zufall, dass die Anerkennungsquoten in Deutschland sinken, obwohl die Menschenrechtssituation in Syrien oder Eritrea unverändert kritisch ist."