"Das Abkommen setzt Rechtsstaatlichkeit auf allen Seiten voraus", sagte Bärbel Kofler (SPD) dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Mittwochsausgaben). In der Türkei sei diese zurzeit aber nicht gegeben. "Da ist es falsch, wenn wir rechtsstaatliche Entscheidungen dorthin auslagern", betonte Kofler mit Blick auf die Welle von Verhaftungen und Entlassungen in dem Land. Das Abkommen müsse neu bewertet werden und könne nicht so fortgesetzt werden wie bisher.
Zwar habe die Türkei viele Anstrengungen unternommen, um die drei Millionen Syrer im Land zu versorgen. "Vieles an dem Abkommen funktioniert jedoch nicht", kritisierte Kofler. Sie beklagte "verschwindend geringe" Zahlen von Syrern, die seit der Unterzeichnung des Abkommens im März legal aus der Türkei in die EU eingereist seien.
Mehr Dolmetscher und Psychologen nötig
Problematisch sei es zudem, Asylanträge in der Türkei zu stellen: "Wir wissen, dass die Bearbeitung der Asylanträge von Afghanen, Irakern und Iranern in der Türkei nicht nach rechtsstaatlichen Regeln erfolgt." Darüber könne die EU nicht einfach hinwegsehen. Die Bundesregierung müsse sich Gedanken machen über andere Asylverfahren. Möglich sei etwa ein Ausbau der deutschen Botschaften im Nahen und Mittleren Osten, wo Schutzsuchende ihren Asylantrag stellen könnten.
Kritisch äußerte sich die Menschenrechtsbeauftragte auch über die Betreuung von Flüchtlingen in Deutschland. "Wir brauchen mehr Dolmetscher und Psychologen - wir brauchen mehr Experten, die wissen, wie es den Menschen in den Flüchtlingsunterkünften geht", forderte Kofler. Dort lebten Männer und Frauen, die teilweise einen traumatischen Weg hinter sich hätten. "Vom Trauma zur Gewalttat ist es manchmal nicht weit", warnte die SPD-Politikerin.