Wer baut denn heute noch Kirchen?

Daniel Kurzius von der Firma Mörk erklärt an einem Foto moderne Kirchenbauten.
epd-bild/Marcus Mockler
Daniel Kurzius von der Firma Mörk erklärt an einem Foto moderne Kirchenbauten.
Sakrale Bauten nicht gewünscht
Wer baut denn heute noch Kirchen?
Sind Neubauten von Kirchen Geschichte? In Baden-Württemberg stimmt das vor allem für die Volkskirchen - während freie Gemeinden vereinzelt ein Gotteshaus in Auftrag geben. Ein Bauunternehmer sieht die Immobilien-Politik der großen Kirchen mit Sorge.

Der Neubau von Kirchen ist selten geworden in Baden-Württemberg. Wenn es ihn in einer katholischen Diözese oder evangelischen Landeskirche gibt, dann meistens als Ersatz für eine Vorgängerkirche, die abgebrannt ist oder wegen schlechter Bausubstanz abgerissen werden musste. So soll es zwischen 2027 und 2029 neue katholische Gotteshäuser in Schwarzenbach (Kreis Ravensburg) und in Friedrichshafen-Jettenhausen geben, teilte die Diözese Rottenburg-Stuttgart dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage mit.

Auch in der Evangelischen Landeskirche in Baden gab es vor diesem Hintergrund Neubauten, zuletzt zwischen 2016 und 2018 vier Kirchen. In der Erzdiözese Freiburg ist der letzte echte Neubau 20 Jahre her. Und ein Ersatzbau für eine abgebrannte Kirche wurde 2007 in Limbach (Neckar-Odenwald-Kreis) fertiggestellt.

Etwas anders sieht es bei jungen Freikirchen aus. Sie sprießen an verschiedenen Stellen in Baden-Württemberg und geben nach Jahren des Wachstums hin und wieder eine Kirche in Auftrag. Das beobachtet zumindest Daniel Kurzius, Abteilungsleiter für Wohnbau und Kirchenbau beim Unternehmen Mörk in Leonberg bei Stuttgart. Seine Firma baut im Schnitt pro Jahr ein neues Gotteshaus.

"Am baufreudigsten sind Pfingstgemeinden" sagte der 40-jährige Experte. Aber auch bei den Adventisten und den Methodisten nimmt Kurzius neue Aufbrüche und damit verbunden einen neuen Bedarf an gottesdienstlichen Räumen wahr. Zu den jüngeren Bauprojekten von Mörk gehört das Glory Life Zentrum in Filderstadt bei Esslingen, derzeit wird bei den Baptisten in Neu-Ulm neuer gottesdienstlicher Raum geschaffen.

Zum klassischen Kirchenbau gibt es laut Kurzius allerdings deutliche Unterschiede. Ein sakraler Bau ausschließlich für Gottesdienste wird von heutigen Auftraggebern nicht mehr gewünscht. Multifunktionsräume seien gefragt, in denen gebetet und gesungen, aber auch gemeinsam gegessen werden könne, stellt er fest. Das sei auch der Grund, warum niemand mehr Kirch- und Glockentürme errichten wolle - die Prioritäten hätten sich verändert.

Mehr Realismus in der Planung nötig

Noch wichtiger: Der Kirchenbau wird laut Kurzius immer von Räumlichkeiten begleitet, mit denen eine Gemeinde Bedürfnisse des Quartiers abdeckt. Das können ein Café sein, eine Kita oder einfach Wohnungen. Oder eine christliche Initiative fokussiert gleich auf andere Angebote, wie das bei der neu erbauten Freien Evangelischen Schule in Stuttgart-Möhringen geschehen ist. "In dieser Schule wird mehr gepredigt als in einer Kirchengemeinde", mutmaßt Kurzius.
Bauwillige junge, freie Gemeinden mahnt der Experte immer wieder zu mehr Realismus in der Planung. Es gebe "Wachstumsschwellen", die nur schwer zu überwinden seien, sagt er. So gehe eine Gemeinde mit 100 Gottesdienstbesuchern barmherzig damit um, wenn kein hohes Maß an Qualität vorhanden sei und beispielsweise die Musik nur mäßig klinge.

Ab 250 Besuchern wende sich das Blatt - mangelnde Professionalität werde mit dem Fernbleiben von Gemeindeveranstaltungen abgestraft. Kurzius hat Vergleichbares in der Stuttgarter "Kesselkirche" erlebt - eine Gemeinde für junge Erwachsene innerhalb der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Er trug dort selbst Mitverantwortung in der Leitung und beobachtete, dass nach stark steigendem Zulauf eine Wachstumsschwelle kaum mehr zu überwinden war.

Für die evangelischen Landeskirchen und die katholischen Diözesen im Südwesten ist der große Immobilienbestand inzwischen aufgrund der laufenden Kosten zum Problem geworden. Angesichts sinkender Mitgliederzahlen schwindet auch der Bedarf an Gemeindehäusern und Kirchen. Daniel Kurzius befürchtet allerdings, dass bei der Reduktion der Immobilien schlimme Fehler gemacht werden.

"Die Kirchen haben viele Grundstücke in besten Lagen - aber sie machen zu wenig daraus", sagt er. Vor allem für den Verkauf von Grundstücken an besten Innenstadtstandorten hat der Experte kein Verständnis. "Die Kirche ist doch in 1.000 Jahren noch da - wie kann man dann heute die besten Areale verkaufen?", fragt er. Sein Alternativvorschlag: Die Grundstücke für 99 Jahre in Erbpacht geben. Dabei müsse die Kirche nicht einmal etwas verdienen. Doch sie bleibe im Besitz der Immobilie, was sich in anderen Zeiten als gewaltiger Vorteil erweisen könnte.

Landeskirchen und Diözesen könnten seiner Ansicht nach auch selbst kreativer werden und mit den Grundstücken etwas anstellen. Kurzius schwärmt etwa von Wohnungen, die mit einem Begleitkonzept gegen Einsamkeit gebaut und vermietet werden. Damit sei den Menschen geholfen - und Kirchenland bleibe in Kirchenhand.