Die Kirche sei derzeit stark gefordert, sich dieser Ursprünge bewusst zu sein. Zu welchen Folgen es führe, wenn solche klaren Positionierungen ausblieben, könne man in der Politik beobachten, kritisierte die leitende Theologin der viertgrößten Landeskirche in Deutschland. Da seien plötzlich Stimmen zu hören, die allerdings "nicht das Volk und nicht die Mehrheit sind", sagte Kurschus unter Hinweis auf das Programm der rechtspopulistischen Partei AfD.
Kurschus hinterfragte zudem die Redeweise von einer "Flüchtlingskrise". Es sei absehbar gewesen, dass eine wachsende Zahl von Menschen nach Europa flüchten würde, sagte sie bei der Haupttagung der Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Verweigerung in der Vergangenheit, Realitäten zu erkennen, habe maßgeblich dazu beigetragen, dass heute von einer Überforderung bei der Bewältigung der Aufgaben gesprochen werde, sagte die stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende.
Bei der Integration von Flüchtlingen haben nach Ansicht der Theologin die Fragen nach Wertvorstellungen einen besonderen Stellenwert. Die bislang erreichten Ziele hinsichtlich der Gleichberechtigung von Mann und Frau dürften keinesfalls aufgegeben werden, ebenso wenig wie das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung oder auf körperliche Unversehrtheit, sagte die Präses. Sie erinnerte aber daran, dass die Frauenrechte in Deutschland auch noch sehr jung seien. Beispielsweise dürfe erst seit wenigen Jahrzehnten eine Frau ein Konto ohne Genehmigung des Mannes beantragen und gerade mal 20 Jahre seien vergangen, seit der Gesetzgeber Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt habe.
Der nordrhein-westfälischen Sozial- und Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) kritisierte Stereotype über junge, männliche Flüchtlinge, die den deutschen Sozialstaat nur ausnutzen wollten. "Diese Menschen haben alles aufgegeben, Familie, Freunde, Bekannte, Hab und Gut", sagte er. Natürlich wünschten sie sich jetzt den Nachzug ihrer Familien, der auch derzeit schon erfolge.
Nach Angaben des Ministers sind von den Flüchtlingen, die im vergangenen Jahr nach NRW kamen, 230.000 geblieben. Das Jahr 2016 stehe ganz im Zeichen der Integration, sagte er. Der Erwerb der deutschen Sprache habe absolute Priorität, um den Menschen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu eröffnen. Die ankommenden Flüchtlinge müssten als Chance für die Gesellschaft angenommen werden, forderte Schmeltzer. Und NRW sei Profi, wenn es um Zuwanderung gehe. Im bevölkerungsreichsten Bundesland leben seinen Angaben zufolge 4,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, 1,5 Millionen davon sind Muslime.