Je früher Menschen die deutsche Sprache lernen, arbeiten können und in den Alltag einbezogen werden, "desto besser für uns alle", sagte Gauck. Aus Frust und Langeweile drohe sonst Gewalt, Kriminalität oder Extremismus zu werden. Zum wiederholten Male hatte Gauck Experten, Praktiker und Ehrenamtliche ins Schloss Bellevue eingeladen, um über Aspekte der Fluchtbewegung zu reden. Diesmal stand die Integration im Vordergrund.
Gelichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt
"Wir dürfen keine Bedingungen begünstigen, die wir später bereuen", sagte Gauck in seiner Begrüßungsansprache. Er betonte auch: "Integrationspolitik wird unsere Gesellschaft viel kosten - viel Energie, viel Engagement, wahrscheinlich auch viel Geld." Die Aufwendungen und Ausgaben seien aber eine gute Investition in die Zukunft.
Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Integration in den Arbeitsmarkt. Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, warb für Optimismus. Die Beschäftigung von Menschen aus den acht Hauptherkunftsländern von Asylsuchenden in Deutschland habe 2015 um 25 Prozent zugenommen, wenn auch auf niedrigem Niveau. Scheele sprach sich gegen Sonderregelungen für Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt aus. Die Gleichberechtigung mit Deutschen müsse angestrebt werden. Eine Senkung des Ausbildungsniveaus zugunsten von Flüchtlingen, deren Deutschkenntnisse noch mangelhaft sind, lehnte er ab.
Scheele sagte, die Dauer der Asylverfahren behindere oft eine schnellere Integration. "Anerkennung ist das A und O", sagte er. Gauck warb dafür, unbürokratischer zu werden. Dem schloss sich Scheele für seine Institution an, ergänzte aber auch: "Es gibt etwas bürokratischeres als die Bundesagentur für Arbeit: das deutsche Aufenthaltsgesetz." Zumindest für die vier wichtigsten Hauptherkunftsländer müsse es schnellere Verfahren geben.
Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt mahnte, sich nicht nur auf diese Gruppe zu beschränken. "Es ist unerträglich, dass afghanische Flüchtlinge zwei Jahre und länger auf ihre Anerkennung warten und solange von Integrationskursen ausgeschlossen sind", sagte Burkhardt anlässlich des Symposiums. Auch er betonte: "Der Schlüssel zur Integration ist der Aufenthaltsstatus."
Starkes und stabiles Land
Während Gauck in seiner Rede forderte, die Integration nicht nur dem Staat zu überlassen, sondern die Zivilgesellschaft zu weiterem Engagement ermunterte, berichtete die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) von Schwierigkeiten vor Ort. Seit den Übergriffen auf Frauen in ihrer Stadt in der Silvesternacht beobachtet sie eine verringerte Bereitschaft zur Unterstützung von Flüchtlingen. Die Menschen in Köln, die eine große Integrationsbereitschaft mitbrächten, zweifelten jetzt vielfach, "ob sie an dem Weg festhalten wollen", sagte sie.
Reker rief gleichzeitig dazu auf, sich nicht zu sehr von den Vorfällen beeindrucken zu lassen. Auch Gauck warnte davor, Ängsten zu folgen. Das Land sei stark und stabil, auch wenn gegenwärtig die Polarisierung zugenommen habe und der Ton der Auseinandersetzung schärfer geworden sei, betonte er.