Das jetzige Asylsystem sei "nicht zukunftsfähig", erklärte Vizekommissionspräsident Frans Timmermans. Zum einen soll das sogenannte Dublin-System verändert werden. Es sieht vor, dass in der Regel dasjenige Land für die Prüfung und damit Beherbergung eines Asylbewerbers zuständig ist, wo dieser das erste Mal europäischen Boden betritt.
Die EU-Kommission stellte zwei Optionen zur Diskussion. Nach der ersten Option würde das jetzige System beibehalten und ergänzt: In Zeiten eines Massenandrangs in ein bestimmtes EU-Land käme ein "Fairness-Mechanismus" zum Einsatz, das heißt andere Länder müssten ihm Flüchtlinge abnehmen. Die zweite Option geht weiter. Danach würde der Grundsatz des ersten Einreisestaats abgeschafft. Die Asylbewerber würden also unabhängig davon, wo sie in der EU ankommen, auf alle Länder verteilt.
Darüber hinaus sollen die Asylverfahren einander angeglichen werden. Das soll verhindern, dass Flüchtlinge gezielt bestimmte EU-Staaten ansteuern, wo sie sich bessere Perspektiven erhoffen. Die EU-Kommission will zum Beispiel die Höchstdauer der Verfahren angleichen.
EKD spricht von einem "mutigen, aber überfälligen Schritt"
Generell soll nach dem Willen der Kommission die europäische Ebene in der Asylpolitik gestärkt werden. Daher befürwortet sie mehr Befugnisse für das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO). Das EASO würde zum Beispiel damit beauftragt, Drittländer wie die Türkei unter die Lupe zu nehmen, damit diese als sogenannter sicherer Drittstaat eingestuft werden können. Das EASO könnte sogar einst selbst die Asylverfahren durchführen. Allerdings ist ein solch weitgehender Umbau des Systems sogar nach Bekunden der EU-Kommission selbst kurz- und mittelfristig "schwer vorstellbar", wie es in der Mitteilung heißt.
Bei allen Vorschlägen vom Mittwoch handelt es sich noch nicht um konkrete Gesetzespläne. Vielmehr beschreibe die Kommission mögliche Wege. Erst nachdem sie Rückmeldungen erhalten hat, will sie konkrete Vorschläge vorlegen.
Aus dem Europäischen Parlament gab es Zuspruch und Kritik. "Es ist absolut richtig und notwendig, dass wir in der EU zu einheitlichen Standards kommen. Die Prüfung und Bearbeitung von Asylanträgen muss überall nach den gleichen Kriterien erfolgen", erklärte der Chef der CDU/CSU-Gruppe, Herbert Reul. Die EU-Kommission "macht einen Fehler, wenn sie Flüchtlinge wie Stückgut verteilen will", urteilte die Grünen-Abgeordnete Ska Keller. "Sie muss die Anknüpfungspunkte der Flüchtlinge wie Sprachkenntnisse und familiäre Bindungen bei der Verteilung berücksichtigen."
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach hält den Vorstoß für eine bessere Verteilung von Asylbewerbern und eine Angleichung des Asylrechts in Europa für wenig aussichtsreich. Es gebe eine "riesige Diskrepanz zwischen europäischer Rhetorik und Realität", sagte Bosbach den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Donnerstagsausgaben). Unter anderem sei "völlig offen", wo die Verfahren einer europäischen Asylagentur umgesetzt werden sollten, an den EU-Außengrenzen oder in den Mitgliedstaaten.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) begrüßte die Pläne. Die EU-Kommission erwäge den "mutigen, aber überfälligen Schritt, ein wirklich gemeinsames europäisches Asylsystem mit verbindlichen Regeln, einer europäischen Asylbehörde mit Entscheidungsbefugnissen und einem solidarischen Verteilmechanismus zu schaffen", erklärte die Leiterin der Brüsseler EKD-Vertretung, Katrin Hatzinger, gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Ich hoffe, dass dieser ambitionierter Vorschlag sich durchsetzt."