Die DDR-Jugend zwischen Gott und FDJ

Lutherhaus Eisenach
Stiftung Lutherhaus Eisenach/A.-L. Thamm
Im Lutherhaus Eisenach beleuchtet eine neue Ausstellung das Verhältnis von SED-Staatsführung und Evangelischer Kirche in der Frühzeit der DDR.
Einblicke im Lutherhaus Eisenach
Die DDR-Jugend zwischen Gott und FDJ
Eine neue Ausstellung im Lutherhaus Eisenach beleuchtet das Verhältnis von SED-Staatsführung und Evangelischer Kirche in der Frühzeit der DDR. Im Fokus stehen die Jugendlichen, um die hart gerungen wurde. Manches hat dabei die Kuratoren überrascht.

Die Originalausgabe der Zeitung "Junge Welt" vom 1. April 1953 in einer der Ausstellungsvitrinen dokumentiert den Höhepunkt der Verfolgung der Kirchen in der DDR in der Spätzeit des Stalinismus. Anfang 1953 hatte das SED-Politbüro eine breit angelegte Kampagne gegen die großen Religionsgemeinschaften gestartet. Pfarrer und Kirchenangestellte wurden verhaftet. Und auch die "Junge Gemeinde" war, so vermeldete es der Zeitungstitel in großen rot unterstrichenen Lettern, als "Tarnorganisation für Kriegshetze, Sabotage und Spionage im USA-Auftrag" entlarvt worden. Herausgeber der "Jungen Welt" war der Zentralrat der Freien Deutschen Jugend (FDJ), der kommunistischen Jugendorganisation der DDR.

"Wer die Jugend hat, dem gehört die Zukunft", umschreibt Michael Weise die Stoßrichtung dieser Kampagne. Das Wirken der Kirchen in der DDR hat der Co-Kurator der Ausstellung "Jugend, Gott und FDJ" im Eisenacher Lutherhaus selbst lange Zeit vor allem mit ihrer Rolle während der friedlichen Revolution von 1989 verbunden. Insofern brachte die Gestaltung der am Freitag eröffneten Schau durchaus auch einen persönlichen Erkenntnisgewinn für den vor 38 Jahren in Baden-Württemberg geborenen Historiker.

Weise sagt, "für mich war es überraschend, in den Kirchenarchiven und Zeitzeugenberichten zu erfahren, wie kompromisslos auch die Kirchenleitung etwa in Thüringen das Bekenntnis zum Glauben eingefordert hat." So habe nicht nur der Staat den jugendlichen Kirchenmitgliedern die Zulassung zum Studium oder dem gewünschten Ausbildungsberuf verwehrt. Auch die evangelische Kirche habe anfangs eine rigorose Abgrenzung zum DDR-Staat aktiv eingefordert.

Während der DDR-Zeit standen die Jugendlichen im Fokus, um die hart gerungen wurde.

Den Kern der Schau bilden die persönlichen Schicksale von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die zwischen der Gründung der DDR und dem Bau der Mauer wegen ihres Glaubens in den Konflikt zwischen Staat und Kirche gerieten. Ihre Biografien - in der Ausstellung digital als Videointerviews oder in Form von Tagebucheinträgen nachzuhören und zu lesen - beleuchteten exemplarisch das Ringen um Glaubens- und Gewissensfreiheit, sagt Co-Kurator und Direktor des Lutherhauses, Jochen Birkenmeier. Es gehe um verschiedene Formen des Widerstands, aber auch um Flucht, Anpassung und Kooperation mit dem SED-Staat.

Anpassung, Widerstand und Inhaftierungen

Auch Birkenmeier - 1973 in West-Berlin geboren - hat die DDR während seiner Jugend aus der Außenperspektive verfolgt. Die Konfrontation mit den Erlebnissen der heute hochbetagten Zeitzeugen hat ihn beeindruckt. "Da wurden junge Menschen in wirklich tiefste innere Konflikte geführt", sagt er. Die Ausstellung erzähle von diesen Konflikten und von der Suche nach Möglichkeiten, diese zu lösen. Es gab Anpassung und Widerstand, Inhaftierungen und, wie etwa im Falle des Jugendlichen Helmut Holzhey, die Flucht nach West-Berlin. Organisiert hatten diese dessen Eltern, damit ihr Sohn eine Zukunft hat.

Verändert hat sich der Kampf zwischen Kirche und der 1949 gegründeten DDR erstmals mit dem Tod des sowjetischen Diktators Joseph Stalin (1878-1953). Anstelle der offenen Konfrontation setzte die DDR-Staatsführung nun auf alternative Angebote für Jugendliche. Die Jugendweihe wurde 1955 eingeführt und in der Folgezeit immer intensiver beworben. Anfangs wehrte sich die Kirche noch. "Wer etwa die Jugendweihe mitmachte, wurde nicht zum Abendmahl zugelassen", berichtet Weise. Doch immer mehr Jugendliche nahmen an dieser weltlichen Feier zur Lebenswende teil.

1958 erkannten die Synodalen in Thüringen, dass dieser Kampf für die Kirche nicht zu gewinnen ist und drängten den damaligen Landesbischof Moritz Mitzenheim (1891-1977), beides zuzulassen: in dem einem Jahr Jugendweihe, im Jahr darauf Konfirmation. Die Thüringer Landeskirche sei hier Vorreiter gewesen, sagt Birkenmeier. Die Schwesterkirchen in der DDR hätten zunächst missbilligend von einem "Thüringer Sonderweg" gesprochen. "Aus den Tagebucheinträgen und den Interviews mit den Zeitzeugen wissen wir, wie befreiend diese Lockerung empfunden worden ist", sagt der Kurator. Wer tief in diese Ausstellung eintauche, komme gerade als junger Mensch ins Überlegen: "Wie hätte ich mich damals wohl verhalten?"