Die Unterstützungsangebote der gesetzlichen Pflegeversicherung werden nur von wenigen pflegenden Angehörigen genutzt. Leistungen wie der Pflegedienst, die Tages-, Kurz- oder Verhinderungspflege sind zwar der überwiegenden Mehrheit der Pflegenden bekannt, wie aus einer am Montag in Berlin vorgestellten Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK im Rahmen des Pflege-Reports 2016 hervorgeht. Jeder vierte Pflegehaushalt, in dem zusätzliche Unterstützung nicht in Anspruch genommen wird, gab jedoch an, dass diese dort eigentlich benötigt werde.
Mit 64 Prozent werde der Pflegedienst am stärksten angenommen. Alle anderen Angebote würden nur von jedem Fünften wahrgenommen. Als wichtigsten Grund gaben die Befragten in der Untersuchung an, dass viele Pflegebedürftige nicht von einer fremden Person betreut werden wollten. Auch die Kosten, eine mangelnde Erreichbarkeit sowie schlechte Erfahrungen mit den Angeboten spielten eine Rolle.
Die Mitherausgeberin des Reports und Leiterin des Forschungsbereichs Pflege im Wissenschaftlichen Institut der AOK, Antje Schwinger, sagte, unter den Nutzern der zusätzlichen Angebote sei die Zufriedenheit hoch. Fast 90 Prozent der Befragten stuften das Personal als kompetent ein. Auch die Gepflegten kämen gut mit der Betreuung klar. Bei den Nutzern von Pflegediensten gelte dies für 84 Prozent, bei der Tagespflege immerhin für 87 Prozent.
Damit noch mehr pflegende Angehörige die Angebote nutzten, forderte Schwinger dazu auf, die Bedürfnisse der Betroffenen besser zu verstehen und die Beratung auszuweiten. Die Expertin machte jedoch auch auf "ein tiefsitzendes Selbstverständnis von familiärer Pflege" in der Gesellschaft aufmerksam. Das Pflichtgefühl der Angehörigen gegenüber dem Pflegebedürftigen sei sehr hoch. Ähnliches gelte für die Bereitschaft, die Pflege trotz gefühlter Überlastung alleine zu bewältigen.
Über Schamgefühle sprechen
Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, sprach in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Pflegeberatern an. Allein bei der AOK-Pflegekasse seien 700 Berater im Einsatz, die in einem persönlichen Gespräch den Pflegebedarf erfassten. Auf diese Weise könne ein individueller Versorgungsplan erstellt werden, sagte Litsch.
Der Befragung zufolge gaben immerhin drei Viertel der Nutzer von Beratungsgesprächen an, dass ihnen diese geholfen hätten. Litsch betonte, Hilfsangebote sollten nicht als ein Zeichen der Schwäche verstanden werden. Auch über Schamgefühle sollte gesprochen werden, statt einfach über sie hinwegzusehen.
Deutschlandweit gibt es laut Schwinger derzeit rund zwei Millionen pflegebedürftige Menschen, die zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt werden. Für den Report wurden 1.000 pflegende Angehörige befragt.